Internationale Kunstausstellung München ip/J-
Jagerspacher, auch eine Hoffnung der Sezes-
sion, die Sache gefaßt: Es ist der naturalistischen
Verlockung, die der Gegenstand birgt, absicht-
lich nicht ganz ausgewichen. Ihm lag daran,
Schmerz zu malen, tiefe, hoffnungslose Qual,
bei voller Wahrung der Würde und der tiefen
inneren Ruhe in der Entfaltung dieses Ge-
schehens. Der Hauptträger dieser Stimmungs-
elemente ist die Farbe, die nie vorher so edel,
so tönend, so schmerzlich schön aus seinem
Pinsel hervorging wie hier. Alle Töne sind ge-
brochen, Schwarz tritt auf neben wunderbar
edlen Abwandlungen des Weiß und der Fleisch-
töne. Man denkt: Ein Unglücklicher muß dieses
Bild gemalt haben. Man denkt: Nur ein Un-
glücklicher kann diese Brudergeste erfunden
haben, mit der der bärtige Mann den Kopf des
Heilands an die Wange preßt. Es zittert in
diesem Bilde, es weint in ihm ein Herz, die
Menschheit. — Zur selben Gruppe etwa wie
Caspar und Jagerspacher gehört der Mainzer
Carl Schwalbach. Er hat sicherlich weniger
ungelösten, unverarbeiteten Stoff undErdenrest
in sich wie die erstgenannten, dafür eine hoch-
kultivierte, fast überzüchtete Gabe für Formung.
Da ist nicht Gewalt und Drang, sondern spitzige,
fast schwindelnde hektische Eleganz; erstaun-
liche Offenbarungen der bösesten, der kältesten,
der närrischsten unter allen Farben, des Gelb.
Sehr gelb, sehr leuchtend, sehr gläsern, sehr
violinenhaft girrend ist hier alles, visionär ab-
gestorben und doch strahlend von einer über-
natürlichen, unsinnlichen Heiterkeit. Gegenüber
seinen Anfängen bedeuten Schwalbachs heurige
Leistungen einen sehr beträchtlichen Zuwachs an
formendem Vermögen. Alb. Weisgerber hat
nicht oft etwas so Delikates gemacht wie seine
heurige Balkonszene; das erste seiner Bilder,
das die Bezeichnung „meisterlich" verdient. Die
Begabung lebt sich in diesem temperament-
starken und früher wohl etwas mittelpunktlosen
Künstler auf eigenartige Weise aus; sie ist
fraglos im Wachsen, im Sammeln, im Verdich-
ten. Ich möchte mich auf eine eingehende Ana-
Jagerspacher, auch eine Hoffnung der Sezes-
sion, die Sache gefaßt: Es ist der naturalistischen
Verlockung, die der Gegenstand birgt, absicht-
lich nicht ganz ausgewichen. Ihm lag daran,
Schmerz zu malen, tiefe, hoffnungslose Qual,
bei voller Wahrung der Würde und der tiefen
inneren Ruhe in der Entfaltung dieses Ge-
schehens. Der Hauptträger dieser Stimmungs-
elemente ist die Farbe, die nie vorher so edel,
so tönend, so schmerzlich schön aus seinem
Pinsel hervorging wie hier. Alle Töne sind ge-
brochen, Schwarz tritt auf neben wunderbar
edlen Abwandlungen des Weiß und der Fleisch-
töne. Man denkt: Ein Unglücklicher muß dieses
Bild gemalt haben. Man denkt: Nur ein Un-
glücklicher kann diese Brudergeste erfunden
haben, mit der der bärtige Mann den Kopf des
Heilands an die Wange preßt. Es zittert in
diesem Bilde, es weint in ihm ein Herz, die
Menschheit. — Zur selben Gruppe etwa wie
Caspar und Jagerspacher gehört der Mainzer
Carl Schwalbach. Er hat sicherlich weniger
ungelösten, unverarbeiteten Stoff undErdenrest
in sich wie die erstgenannten, dafür eine hoch-
kultivierte, fast überzüchtete Gabe für Formung.
Da ist nicht Gewalt und Drang, sondern spitzige,
fast schwindelnde hektische Eleganz; erstaun-
liche Offenbarungen der bösesten, der kältesten,
der närrischsten unter allen Farben, des Gelb.
Sehr gelb, sehr leuchtend, sehr gläsern, sehr
violinenhaft girrend ist hier alles, visionär ab-
gestorben und doch strahlend von einer über-
natürlichen, unsinnlichen Heiterkeit. Gegenüber
seinen Anfängen bedeuten Schwalbachs heurige
Leistungen einen sehr beträchtlichen Zuwachs an
formendem Vermögen. Alb. Weisgerber hat
nicht oft etwas so Delikates gemacht wie seine
heurige Balkonszene; das erste seiner Bilder,
das die Bezeichnung „meisterlich" verdient. Die
Begabung lebt sich in diesem temperament-
starken und früher wohl etwas mittelpunktlosen
Künstler auf eigenartige Weise aus; sie ist
fraglos im Wachsen, im Sammeln, im Verdich-
ten. Ich möchte mich auf eine eingehende Ana-