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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 33.1913-1914

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Braungart, Richard: Vom Bild als Wandschmuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.7011#0227

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Vom Bild als Wandschmuck.

stellt sein. Im andern Fall wird das Bild, das
im Oberlichtsaal einer Ausstellung gut gewirkt
haben mag, im Zimmer enttäuschen oder auch
— was nicht selten ist — vollständig versagen.

Diese Forderungen sind von den Malern
aller Stilperioden und Nationalitäten instinktiv
erfüllt worden. Erst der Gegenwart war es
vorbehalten, auch auf diesem Gebiete radikale,
wenn auch nicht immer glückliche Wandlungen
herbeizuführen. Aber freilich: mögen diese
Neuerungen in der Theorie noch so bestechend
klingen und mit noch so viel Gelehrsamkeit
begründet werden: die Wirklichkeit führt alle
diese Extravaganzen ad absurdum. Mit Bildern,
zu denen man nirgends, am wenigsten in einem
normalen Zimmer, eine richtige Distanz gewin-
nen kann und die dem Beschauer nichts sagen
oder nur Rätsel aufgeben, ist der Bilderkäufer
und Kunstfreund in kurzer Zeit fertig. Und er
wird bald wieder zu jener Kunst zurückkehren,
die nicht ihren Stolz darein setzt, die elemen-
tarsten Gesetze der Malerei zu ignorieren,
sondern interessante Probleme innerhalb der
nun einmal bestehenden Grenzen des auf einem
Staffeleibild Möglichen zu lösen sucht.

Es braucht kaum versichert zu werden, daß
diese Zeilen keine Absage an die moderne

Kunst, wie sie sich in den letzten Jahren ent-
wickelt hat, bezwecken. Das wäre ebenso
überflüssig wie auch in solcher Allgemeinheit
ungerecht. Denn mag auch sehr vieles von dem,
was heute in den Ausstellungen gezeigt wird,
mit Kunst nicht viel zu tun haben oder höchstens
den Wert eines Experiments besitzen, so zeigen
sich doch daneben überall die verheißungs-
vollsten Keime einer neuen und bedeutenden
Kunst, die unter schweren Wehen sich dem
Chaos entwindet. Ihr Endziel scheint allerdings
mehr das monumentale Wandbild als das in-
time Staffeleibild zu sein. Und daraus erklären
sich auch die zahllosen Verstöße gegen die Ge-
setze des Staffeleibildes, denen wir heute auf
Schritt und Tritt begegnen. Eine Aufgabe der
nächsten Zukunft wird es also sein, die verloren
gegangene Kunst, moderne malerische Qualität
mit dekorativer Brauchbarkeit zu verbinden,
in ihrem ganzen Umfang wieder zu gewinnen.
Denn eine Malerei, die es nicht mehr versteht,
sich einem Zweck unterzuordnen, auch wenn
dieser Zweck nicht gerade die dekorative Wand-
malerei großen Stiles ist, wird sich dem Publi-
kum jedenfalls rascher entfremdet haben, als
man es im Interesse des Publikums wie der
Künstler wünschen kann, richard braungart.
 
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