Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 33.1913-1914

DOI Artikel:
Richter, Werner: Notizen zu Adolf Hildebrands Prinzregenten-Denkmal
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7011#0372

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
NOTIZEN ZU ADOLF HILDEBRANDS PRINZREGENTEN-DENKMAL.

Das jüngste Werk Adolf Hildebrands, ein Reiter-
denkmal des Prinzregenten Luitpold, wurde
vor kurzem in München enthüllt. Es zeigt den
Fürsten auf ruhig schreitendem, gedrungenem Pferd,
den unbedeckten Kopf nach links gewendet. Er
trägt denselben weit um den Oberkörper gewor-
fenen Mantel, den Schlüter seinem Friedrich Wil-
helm, Falconet seinem Peter dem Großen gab. —
Die Abmessungen sind beschränkter, als man ge-
meinhin heute gewöhnt ist. Aber man erinnert
sich, daß auch Schlüters Kurfürst an materieller
Größe keineswegs dem Begasschen Wilhelm 1. ge-
wachsen, an Majestät aber weit überlegen ist.

An Hildebrands jüngstem Werk fällt vor allem
eine gewisse Breite, nahezu Flächigkeit auf. An
Lineament ist aufs äußerste gespart worden. Der
große, glatte Hals des Pferdes etwa wirkt fast nur
als Ebene und Umriß. Alle reliefhafte Vertiefung, alle
Komplizierung ist dem Gesicht des Regenten vorbe-
halten geblieben, das gespannt, forschend, beinahe
feurig nach links späht; (berufene Beurteiler rühmen
ihm ungemeine Lebenstreue nach). Bart, Mantel,
Pferdemähne werden vom Zugwind zurückgedrängt
und damit auf eine einheitliche schräge Richtung ge-
bracht. — Im Gesamtwerk Hildebrands bedeutet
dieses Denkmal sicherlich noch einen Schritt über den
Bremer Bismarck von 1910 hinaus, dessen Erfin-
dung trot3 aller hinreißenden Kraft der Silhouette
mehr vom Colleoni abhängt, als ihm zuträglich ist.
Das Denkmal des Prinzregenten ist im Umriß wahr-
scheinlich einfacher, aber auch beruhigter und —
wenn das möglich ist — noch geschlossener.

Ein Vergleich mit Tuaillon drängt sich auf, dem
anderen (nicht dem zweiten — was mißverständlich
wäre), der für deutsche Reiterdenkmäler heute in
Betracht kommt. Es scheint sich zwischen den
beiden Deutschen ein ähnliches Verhältnis heraus-
zubilden, wie es zwischen dem Gattamelata und
dem Colleoni besteht, mit andern Worten: der
Wille des einen betont vor allem die statuarische
Geschlossenheit, der des andern den möglichst
starken Gehalt naturgetreuer Bewegung („poten-
tieller Energie" würde der Mechaniker sagen). —
Hildebrands Regentendenkmal bezeugt somit
eine in sich ausgeglichene, unerschütterliche Reife
des Künstlers; es ist wohl möglich, daß es das
harmonischste und geschmacklich geläutertste Reiter-
denkmal ist, das Deutschland gegenwärtig besißt.

Nach diesen rein sinnlich - formalen Umschrei-
bungen bleibt die Frage nach dem geistigen Ge-
halt, nach der Stellung, die das Kunstwerk im
Weltzusammenhang beansprucht, nach der — um
es auch mit dem farblosen Schulausdruck zu nennen
— „Auffassung". — Bei einem Reiterdenkmal, einem

352

Zweckporträt, wird diese Frage fast genau mit der
nach der historischen Treue zusammenfallen; ganz
praktisch und volkstümlich ist es die nach dem
Kostüm. Auch hier ist der Vergleich mit Tuaillon
nicht nur unvermeidbar, sondern klärend: Man ent-
sinnt sich, wie vor Jahren Tuaillons Kaiser Fried-
rich-Denkmal in Bremen nach den Tagen der Begas-
Herrschaft als Befreiung empfunden wurde. Die
unbefangene Art, mit der dem Hohenzollern die
Tracht Marc Aurels angemessen wurde, regte wohl-
tuende Parallelen zwischen alt-römischem und neu-
deutschem Kaisertum an, war aber im Grunde doch
nur für die geringe Zahl humanistisch - historisch
Gebildeter verständlich und genießbar. Daß also
in solchem radikalen Bruch mit der Tradition bei
einem der weitesten Öffentlichkeit bestimmtem
Werke, wie einem Denkmal, ein Fehler liegt, ist
offenbar. — Ihn zu umgehen, versuchte Hildebrand
in seinem Bismarck. Er behielt die Kürassieruniform
bei; aber indem er sie zu vereinfachen, zu stilisie-
ren, zu monumentalisieren unternahm, und dennoch
von ihren Zufälligkeiten nicht gänzlich absehen
konnte, kam er zu einem Kompromiß, der den
ungetrübten Genuß des Standbildes zum mindesten
hemmt. — Bei dem Regentendenkmal aber hat er
eine restlose Lösung gefunden: der Mantel, der,
wie gesagt, in der Art des XVIII. Jahrhunderts
drapiert ist, könnte mit der gleichen Wahrscheinlich-
keit eine bayrische Generalsuniform, einen schlichten
Reitrock, einen römischen Panzer decken; die prallen
Hosen, die Stulpstiefel, die Steigbügel, die er frei
läßt, wirken in ihrer Unbetontheit ebenso indifferent,
wie ihr Fehlen befremden und beunruhigen würde.
Die schwierige und für die geistige Haltung des
Werkes symptomatische Kostümfrage ist also ge-
wissermaßen im Sinne der Kostümlosigkeit ent-
schieden worden, die aber nicht, wie bei Tuaillon,
mit Marc-Aurelischer Nacktheit gleichbedeutend ist.

Ausgeglichenheit ohne Langeweile, selbstbe-
wußte Gemessenheit ohne Arroganz, duldsame Güte
ohne Laxheit, Patriarchentum ohne sentimentale
Süße, fast ländliche Biederkeit ohne Derbheit —
das sind etwa die Züge, die man dem Denkmal
abliest. Ihre Gesamtheit entspricht dem Bilde, das
der verstorbene Landesherr im Gedächtnis der
Bayern hinterlassen hat. — dr. werner richter.


»Immer von neuem ist der Wahn zu bekämpfen,
als seien die unsterblichen Werke der Kunst nicht für
das ganze Volk, sondern nur für eine geschlossene
Kaste der Gelehrten geschaffen, als seien die künst-
lerischen Schöpfungen nicht zum Genuß, nicht zur
Veredlung des Sinnes, nicht zur Befreiung aus den
beengenden Banden der Wirklichkeit, sondern zu
Objekten des Streites, für die Rechthabereien der
sogenannten Kenner bestimmt.«...... Lübke.
 
Annotationen