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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 33.1913-1914

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Georgi, Walter: Herbst-Ausstellung Berlin 1913
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https://doi.org/10.11588/diglit.7011#0377

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HERBST-AUSSTELLUNG BERLIN 1913.

VON DR. WALTER GEORGI—BERLIN.

Wir sind in den letzten Jahren bescheiden
geworden, wenn wir in großen Kunst-
Ausstellungen die Masse des Dargebotenen auf
ihren Wert und Unwert prüfen. Wir erfreuen
uns bereits schon an geringfügigen Qualitäten,
als wollten wir darin einen Ersatz für das
fehlende Große suchen, und klammern uns gern
an Hoffnungen, die selten in Erfüllung gehen.
Umsomehr aber müssen wir dem Genialen
unsere Dankbarkeit entgegenbringen, das in
steigender Entwicklung das auf die Möglich-
keiten seines Talents gesetzte Vertrauen recht-
fertigt, das die Kämpfe, die man um seinetwillen
focht, nicht eines Tags als nutzloses Ringen
um eine heuchlerische Chimäre entschleiert.

Eine solche erfreuliche Bestätigung vermittelt
die im ehemaligen Ausstellungsgebäude der
Sezession veranstaltete „Berliner Herbst-
Ausstellung 1913" in den Werken des einst
vielangefeindeten Norwegers Edvard Münch.
Es sind kaum zwanzig Jahre her, da man jeden,
der diesesKünstlersPartei ergriff, fast allgemein
als einen Förderer des Wahnsinns ausrief, da
jenem die eigenen Landsleute in überhitztem
Fanatismus die Heimat verekelten, da aber auch

bereits eine kleine Schar überzeugter Anhänger
unbeirrt um das Urteil der Menge für Münch
eintrat. Heute sind es nur noch wenige, die
sich gegen Edvard Münch ereifern. Fast scheint
man daheim in Norwegen den nunmehr Fünfzig-
jährigen bereits unter die Klassiker zu rechnen.
Sogar die Universität Christiania hat sich
entschlossen, ihm die Wände ihrer Aula zu
überlassen, daß er auf ihren Flächen sich der
Nachwelt überliefere. Die Entwürfe zu diesen
Wandbildern füllen den Mittelsaal der Berliner
Herbst-Ausstellung. Auf den ersten Blick will
es scheinen, als ob Münch ein anderer gewor-
den sei, als ob der Stimmungsmaler der er-
schütterten Seele von einst zum rein dekora-
tiven Maler sich entwickelt habe. Aber wer
sich in die lichten, weit über das Maß eines
Entwurfes hinausragenden Gemäldegruppen ver-
tieft, der wird zwar eine Wandlung im Wesen
dieses Malers aufspüren, zugleich aber eine
hocherfreuliche Fortentwicklung seines künstle-
rischen Empfindens entdecken. Münchs Seele
trieb einst, nach letzter Wahrheit suchend, über
zwei grenzenlos tiefen Abgründen, über den
Geheimnissen von Liebe und Tod, zu denen sie

1914. v. 3.

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