Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 36.1915

DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Von deutschen Modebestrebungen
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.8676#0036

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Von deutschen Modebestrebungen.

würden darauf verzichten, sich so anmutig
und hübsch als möglich anzuziehen? Das wird
nicht einmal den deutschen Frauen einfallen,
geschweige denn den andern. Jetzt gehen als
Deutsche Mode Entwürfe durch die Blätter, die
recht von Herzen häßlich sind, Erfindungen ohne
Linie und Anmut. Ein halbes Jahr nachFriedens-
schluß wird jede Frau, auch jede Deutsche,
ihr Modenblatt abbestellen, wenn es wagen
sollte, ihr derartige Dinge zu empfehlen.

Genug davon. Ich möchte nur noch in aller
Kürze meine Schlußfolgerungen ziehen.

Wenn Paris bisher die Mode fast allein be-
herrscht hat, so geschah dies nicht nur infolge
der Trägheit der so lange Bevormundeten.
Paris hat erstens wirklichen Schneider-Ge-
schmack, im schlechten wie im guten Sinne.
Und Paris hat auch die höchste Entwickelung
jenes Gedankens, der dem Deutschen gottlob
niemals ganz eingehen wird, der aber für eine
Moden-Metropole von förderlichster Bedeu-

tung ist; jenes Gedankens nämlich, daß eine
Hauptbestimmung der Frauen darin liegt, gut
auszusehen. Unter der Herrschaft dieses Ge-
dankens wird dann natürlich alles, was mit
der Erhöhung der weiblichen Reize zusammen-
hängt, zur höchst wichtigen Angelegenheit.

Deshalb wird, wenn ein Ersatz für das Mode-
zentrum Paris gefunden werden soll, meiner
Meinung nach in erster Linie Wien Erfolgs-
Aussichtenhaben. Dort sind die psychologischen
Grundlagen gegeben, dort bestehen bereits sehr
achtbare Ansätze. Dort hat man auch den
leichteren, gefälligeren Geschmack und auch
in allen Dingen eine leichtere Hand. Damit ist
aber nicht gesagt, daß nicht auch in deutschen
Städten, in Berlin, Frankfurt und Mün-
chen, größere Selbständigkeit in Kleider-
dingen entfaltet werden könnte als bisher. Das
wäre im Gegenteil sehr zu empfehlen. Wie sich
da die Arbeit im einzelnen verteilt, das festzu-
setzen, ist Sache der Praxis. . . wilhelm michel.

ANSELM FEUERBACH. GEMÄLDE »SCHLAFENDES KIND«
 
Annotationen