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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 36.1915

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Michel, Willhelm: Von deutscher Form
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https://doi.org/10.11588/diglit.8676#0158

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Von deutscher Form.

SCHULER
WILKENING.

KLASSE:
J. BOSSARD-
HAMBURG.

Schon Luther fand sie als etwas fest Einge-
wurzeltes vor. Einige Jahrhunderte muß sie
damals schon gelebt haben. Ja, vermutlich sind
die gegenseitigen Liebenswürdigkeiten alle
gleichalterig, also die „deutsche Unkultur"
ebenso betagt und ehrwürdig wie die „welsche
Tücke" oder die „gallische Windbeutelei".

Ob diese Urteile, oder sagen wir besser:
diese Abgrenzungen, nicht einen Kern von
Wahrheit enthalten? Gewiß, immer, nur in
maßlos vergröberter Gestalt. So deutet das
Schlagwort von der gallischen Windbeutelei
knapp auf deutsch-französische Temperaments-

Unterschiede, und die „deutsche Unkultur"
deutet auf den analogen Unterschied im
Formbegriff der Romanen und Germanen.

Was Form ist, läßt sich schwerlich in end-
gültiger Weise bestimmen. Da hier nicht von
Naturform, sondern lediglich von Kunstform
im weitesten Sinne die Rede ist, kann
einwandfrei soviel festgestellt werden, daß es
sich bei Form stets um die Begegnung zwischen
einer Stofflichkeit und einer menschlich-subjek-
tiven Kraft handelt. Zwei verschiedenartige,
ja entgegengesetzte Elemente also sind es, die
in der Tatsache „Form" zusammentreffen. Und

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