Von deutscher Form.
des Hoffens. „Reifeste Frucht der Zeit" nennt
er das Vaterland und spricht prophetisch:
Noch säumst und schweigst du, sinnest ein freudig
[Werk,
Und sinnst, das von dir zeuge, ein neu Gebild,
Das einzig wie du selber, das aus
Liebe geboren und gut, wie du, sei.
Wo ist dein Delos, wo dein Olympia,
Daß wir uns alle finden am höchsten Fest?
Doch wie erräth der Sohn, was du den
Deinen, Unsterbliche, längst bereitest?
Zur gleichen Zeit wird von ihm noch einmal
die Qual des Erwartens ausgesprochen: „Und
zu ahnen ist süß, aber ein Leiden auch", und
die aus einer ehrfurchtgebietenden Seelennot
stammende Frage:
Schöpferischer, o wann, Genius unseres Volks,
Wann erscheinest du ganz, Seele des Vaterlands?
Bis dann im spätesten dieser Gedichte, „Ger-
manien", die Sorge endlich beruhigt ist und an
ihre Stelle in nüchterner Klarheit das vor-
schauende Gesicht tritt: Deutschland als end-
gültige Nachfolgerin Griechenlands an der Hut
der Kultur. Deutschland ist die Priesterin, die
stillste Tochter Gottes, groß an Glauben; von
Lieben und Leiden, von Ahnungen und von
Frieden ist ihr Busen erfüllt. Der Sendbote, der
Adler vom Indus, der ihr die schwere Mission
bringt, ruft sie an:
Du bist es, auserwählt
Allliebend und ein schweres Glück
Bist du zu tragen stark geworden.
Aus der Tiefe deutschen Formempfindens
stammt die Formulierung der Aufgabe, die
Deutschland zugefallen ist:
Nicht länger darf Geheimnis mehr
Das Ungesprochene bleiben,
Nachdem es lange verhüllt ist;
Dreifach umschreibe du es,
Doch ungesprochen auch, wie es da ist
Unschuldige, muß es bleiben.
Man erkennt die deutschen Elemente: For-
mung bei unverletzter Ehrfurcht vor der Würde
des zugrunde liegenden Lebensstoffes; Aus-
sprechen des Ungesprochenen (Chaotischen),
aber nicht mit schonungsloser, frecher Buch-
stäblichkeit, sondern unter Bewahrung seines
Charakters als Geheimnis. Es sind höchste, ab-
strakteste Symbole für sehr wirkliche Dinge.
Wir haben diese großen Visionen schon zu
einem Teile verwirklicht. Unser Vaterland ist
nicht mehr die „ungestalte Rebe", die formlos
an der Erde irrt. Wir sind nach außen organi-
siert. Die Frage nach unserm Delos und Olympia
ist zu einem Teile wenigstens gelöst. Dürfen
wir auch noch nicht sagen, daß im Ernste „die
Bücher schon leben", daß also der deutsche
Gedanke schon durchaus Form und Erschei-
nung geworden sei, so wissen wir doch: wir sind
auf dem Wege. Der Krieg wird uns diesem
Ziele freilich kaum näher bringen. Denn Kriege
dienen wohl nicht der Liebe und dem Geiste,
sondern sind harte Notwendigkeiten der Kristal-
lisierung und durchaus von dieser Welt. Aber
das Eine Gute leistet der Krieg dem Geiste
doch auch, daß er uns unser Eigenes inniger
zu fühlen gibt. Wir dürfen erkennen: Wer
deutsche Kultur verleumdet, scheidet sich selbst
von den Quellen des Lebens. — wilh. michel.
EINFACHE BANK MIT LOSEN POLSTERN. KUNSTGEWERBE-SCHULE BUDAPEST.
des Hoffens. „Reifeste Frucht der Zeit" nennt
er das Vaterland und spricht prophetisch:
Noch säumst und schweigst du, sinnest ein freudig
[Werk,
Und sinnst, das von dir zeuge, ein neu Gebild,
Das einzig wie du selber, das aus
Liebe geboren und gut, wie du, sei.
Wo ist dein Delos, wo dein Olympia,
Daß wir uns alle finden am höchsten Fest?
Doch wie erräth der Sohn, was du den
Deinen, Unsterbliche, längst bereitest?
Zur gleichen Zeit wird von ihm noch einmal
die Qual des Erwartens ausgesprochen: „Und
zu ahnen ist süß, aber ein Leiden auch", und
die aus einer ehrfurchtgebietenden Seelennot
stammende Frage:
Schöpferischer, o wann, Genius unseres Volks,
Wann erscheinest du ganz, Seele des Vaterlands?
Bis dann im spätesten dieser Gedichte, „Ger-
manien", die Sorge endlich beruhigt ist und an
ihre Stelle in nüchterner Klarheit das vor-
schauende Gesicht tritt: Deutschland als end-
gültige Nachfolgerin Griechenlands an der Hut
der Kultur. Deutschland ist die Priesterin, die
stillste Tochter Gottes, groß an Glauben; von
Lieben und Leiden, von Ahnungen und von
Frieden ist ihr Busen erfüllt. Der Sendbote, der
Adler vom Indus, der ihr die schwere Mission
bringt, ruft sie an:
Du bist es, auserwählt
Allliebend und ein schweres Glück
Bist du zu tragen stark geworden.
Aus der Tiefe deutschen Formempfindens
stammt die Formulierung der Aufgabe, die
Deutschland zugefallen ist:
Nicht länger darf Geheimnis mehr
Das Ungesprochene bleiben,
Nachdem es lange verhüllt ist;
Dreifach umschreibe du es,
Doch ungesprochen auch, wie es da ist
Unschuldige, muß es bleiben.
Man erkennt die deutschen Elemente: For-
mung bei unverletzter Ehrfurcht vor der Würde
des zugrunde liegenden Lebensstoffes; Aus-
sprechen des Ungesprochenen (Chaotischen),
aber nicht mit schonungsloser, frecher Buch-
stäblichkeit, sondern unter Bewahrung seines
Charakters als Geheimnis. Es sind höchste, ab-
strakteste Symbole für sehr wirkliche Dinge.
Wir haben diese großen Visionen schon zu
einem Teile verwirklicht. Unser Vaterland ist
nicht mehr die „ungestalte Rebe", die formlos
an der Erde irrt. Wir sind nach außen organi-
siert. Die Frage nach unserm Delos und Olympia
ist zu einem Teile wenigstens gelöst. Dürfen
wir auch noch nicht sagen, daß im Ernste „die
Bücher schon leben", daß also der deutsche
Gedanke schon durchaus Form und Erschei-
nung geworden sei, so wissen wir doch: wir sind
auf dem Wege. Der Krieg wird uns diesem
Ziele freilich kaum näher bringen. Denn Kriege
dienen wohl nicht der Liebe und dem Geiste,
sondern sind harte Notwendigkeiten der Kristal-
lisierung und durchaus von dieser Welt. Aber
das Eine Gute leistet der Krieg dem Geiste
doch auch, daß er uns unser Eigenes inniger
zu fühlen gibt. Wir dürfen erkennen: Wer
deutsche Kultur verleumdet, scheidet sich selbst
von den Quellen des Lebens. — wilh. michel.
EINFACHE BANK MIT LOSEN POLSTERN. KUNSTGEWERBE-SCHULE BUDAPEST.