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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 36.1915

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Lorenz, Felix: Ein Grünewald-Landhaus: erbaut von Professor Franz Seeck, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.8676#0201

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PROFESSOR FRANZ SEECK—BERLIN.

»LANDHAUS HAUPTNER« STRASSEN SEITE.

EIN GRUNEWALD-LANDHAUS.

ERBAUT VON PROFESSOR FRANZ SEECK—BERLIN.

Der „Zug nach dem Westen" hat sich in
Berlin während der letzten fünfzehn Jahre
so außerordentlich entwickelt, daß man sich
eine weitere Steigerung dieses Triebes kaum
gut vorstellen kann — das ganze Gebiet zwi-
schen Spree und Havel stellt eine einzige rie-
sige Baufläche dar, deren Siedelungen, trotz
mancher zerstreuteren Anlage unter ihnen, fast
organisch ineinandergreifen. Von den Miets-
„palästen" des eigentlichen Berliner Westens,
den berühmten Kulturgegenden des Kurfürsten-
dammes und des „bayerischen Viertels" an,
über die unmittelbar angeschlossenen, gutbür-
gerlichen Vororte hinweg (die selbst große
Städte sind), bis zuderbreitenWannsee-Biegung
des Havelstroms mit ihren zahllosen Villeggia-
turen ist diese Entwickelung zum Westlichen
ohne Grenzen gewesen. Es ist oft beklagt
worden, daß bei diesem einseitigen Vorstoß der
Millionenstadt — ein Vorstoß, den Bildung und
Besitz unternahmen — das Grunewaldgebiet
als solches zu einem beträchtlichen Teil zerstört
oder zerstückelt wurde, sodaß dies Luftreser-
voir der Berliner sich immer mehr verkleinert.
Aber es hat sich dafür in manchen der so schnell

herangewachsenen Gemeinden, in denen das
Landhaus vorherrscht, in den letzten Jahren eine
hocherfreuliche bauliche Geschmackskultur ent-
wickelt,welche hervorragende und mustergültige
Einzelleistungen hervorgebracht hat. Man weiß,
was die berüchtigte Berliner Villenarchitektur
der „Protzenzeit" an Mißgeburten und Scheu-
säligkeiten aller Art erzeugte; der vorurteils-
lose Betrachter, der heute durch die weitge-
dehnte Grunewaldkolonie, das neue, anmutig
ins Gebreite gestreckte Dahlem, durch Zehlen-
dorf mit seiner vielfach wechselnden Physiog-
nomie oder das heitere Nicolasee schlendert,
wird, wenn auch meist keine baulichen Ge-
schlossenheiten zu einem Gesamtortscharakter,
doch eine stattliche Anzahl schöner, sachlicher
und bodenständiger Landhäuser finden, auf die
man diesen früher so oft mißverstandenen Be-
griff mit aller Berechtigung anwenden kann.
Wobei längst nicht mehr die Stilfrage ent-
scheidet, sondern die Ästhetik der äußeren
und inneren Sachlichkeit.

Wie ein feinfühliger moderner Architekt die
Aufgabe immer aus den gegebenen Ortsum-
ständen zu entwickeln weiß, wie er aus den

XVIII. Juni 1915. 4

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