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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 36.1915

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Bombe, Walter: Französische Bilderstürmer
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https://doi.org/10.11588/diglit.8676#0403

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Französische Bilderstürmer.

PROFESSOR LUDWIG DILL KARLSRUHE.

GEMÄLDE »STRASSENKAMPF«

noch kein Kunstwerk in Belgien oder Frankreich
von deutschen Soldaten vernichtet worden ist.

Ruinen bezeichnen den Weg der Weltge-
schichte. Siegreiche Heere verwüsten in Fein-
desland Bauwerke, die meist stumme Zeugen
einer höheren Kultur sind. Jedoch nicht ohne
weiteres ist die Zerstörung von Kunstdenk-
mälern ein Zeichen von Barbarei. Betrachteten
doch die Päpste der Renaissance es als ihr
gutes Recht, antike Bauten zu vernichten, um
an deren Stelle — ihrer tiefen Überzeugung
nach — etwas Schöneres, Besseres zu setzen.
Erst das neunzehnte Jahrhundert brachte in
Europa das zur Herrschaft, was Georg Dehio
in einem seiner soeben bei R. Oldenbourg in
München erschienenen kunsthistorischen Auf-
sätze treffend „die Achtung vor der historischen
Existenz als solcher" nennt. Jene Zerstörungen
antiker Bauten waren die Folge überströmender
Schaffenslust einer sich selbst vertrauenden
Gegenwart, und immer trat neue Schönheit an
die Stelle der alten. Der großen Revolution
erst war es nach Dehio vorbehalten, zu zer-
stören aus Prinzip, im Namen der Aufklärung
und des Rechtes der Lebenden. Unzählige Kir-
chen wurden damals von den Franzosen zu
Tempeln der Vernunft umgestaltet, ihres künst-

lerischen Schmuckes beraubt oder als Stein-
brüche benutzt. Die Abteikirche von Cluny,
St. Martin in Tours und viele andere der schön-
sten Sakralbauten Frankreichs fielen dem Ver-
nunftfanatismus zum Opfer und wurden dem
Erdboden gleich gemacht. Dasselbe Los drohte
auch der Kathedrale von Reims, deren Be-
schießung uns von französischer Seite als Van-
dalentat vorgeworfen wurde. Sie entging damals
ihrem Schicksal nur durch die Geistesgegenwart
eines Bürgers, der gerade, als man im Begriffe
stand, sie zu versteigern, den Vorschlag machte,
den Bau als Vereinshaus zu benutzen, was auch
geschah. Ein anderes herrliches Denkmal der
Gotik in Reims, die 1229 begonnene Stifts-
kirche S. Nicaire, wurde damals auf Abbruch
verkauft. Nicht nur in Reims, sondern auch in
den anderen Städten Nordfrankreichs, um die
jetzt gekämpft wird, haben die Franzosen der
Revolutionszeit Taten des Vandalismus — der
Ausdruck wurde zum ersten Male vom Bischof
Gregoire von Blois 1794 im Konvent gebraucht,
um diese Zerstörungen zu brandmarken, —
sich zu Schulden kommen lassen. In Noyon fin-
den wir ein seines Skulpturenschmuckes be-
raubtes Portal, in Senlis und in Meaux Portal-
figuren, denen die Köpfe abgeschlagen sind;

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