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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 36.1915

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Dekorative oder konstruktive Gestaltung
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https://doi.org/10.11588/diglit.8676#0437

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Dekorative oder konstruktive Gestaltung.



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KISSEN MIT GOBELINSTICKEREI AUF WOLLE. ENTWURF UND AUSFÜHRUNG: MARTHA PFEFFER—STEGLITZ.

spezifisch weiblich, den konstruktiven als
männlich ansprechen zu dürfen. Diese Fest-
stellung ist durchaus nicht neu. Karl Scheffler
bringt die besondere weiblich-künstlerische Dis-
position scharf zum Ausdruck in seinem Büch-
lein: „Die Frau und die Kunst": „Das Talent
der Frau reicht nur aus für das Klanghafte, De-
korative und Ornamentale; ihr Geschmack ist
ein Kind der Reizsamkeit und nicht kritisch
organisierend." Der Blütencharakter des we i b -
liehen Geschmacks steht einer männlichen
konstruktiven Kraft gegenüber, das „fertig
Schöne" der schöpferischen Anstrengung. Die
Stile der Vergangenheit spiegeln — entspre-
chend ihrer stärkeren oder schwächeren Durch-
tränkung mit weiblichen Geschmacksurteilen —
mehr die eine oder mehr die andere Richtung
wieder: das Kapriziöse des Rokoko einerseits,
die disziplinierte Formenstrenge des Empire
andererseits, sie laufen richtungsgleich mit dem
Gewicht, das die Frau in die Zeit einwirft.

Wir präzisieren unsere Aufgabe durch
die Formulierung: Wie wird die Qualität

der Gebrauchsgüter durch mangelndes Kon-
struktionsgefühl bei hochentwickeltem
Schmucksinn gemodelt? Ausgebildetes De-
korateurtalent im Verein mit Unverständnis für
Struktur wird den mit dieser Disposition Aus-
gestatteten dazu verleiten, den Effekt dem or-
ganisch Gewordenen, den Schein dem Inhalt
vorzuziehen, sobald etwa eine zeitweilige wirt-
schaftliche Ersparnis mit der Wahl des Effekt-
gutes verknüpft ist. Eine Frau selber ist es,
die sehr hart urteilt. Else Warlich meint: „Die
Frau sucht fast immer mehr zu scheinen als sie
ist, und deshalb umgibt sie sich auch mit einer
Welt von Talmi und Imitation." — Zu betonen
ist aber, daß in den Eigentümlichkeiten des weib-
lichen Qualitätsurteils mit nichten die Ursache
einer Qualitätsverschlechterung der Konsum-
güter gesehen werden darf. Es kommt ihnen
bloß der Charakter eines begünstigenden
Umstandes zu, daß das spezifisch Weibliche
im Qualitätsurteil den auf Herabdrückung des
Güteniveau hinwirkenden Kräften zum min-
desten nicht entgegentritt.
 
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