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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 36.1915

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Mittenzwey, Kuno: Ausstellung der Münchener Ostpreussenhilfe
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https://doi.org/10.11588/diglit.8676#0441

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AUSSTELLUNG DER MÜNCHENER OSTPREUSSENHILFE.

Zum ersten Mal bekamen wir eine Ausstellung
gewerblicher Arbeiten zu sehen, deren Pro-
gramm durch den Krieg selbst gestellt wurde. Und
sie ist im großen Ganzen gelungen, überraschend
gut sogar. Mag das als gutes Zeichen gelten.

Es galt, den durch die Russenhorden in Ost-
preußen geschädigten zu helfen. Da war ein-
fachste Solidität geboten; die Spende durfte den
Empfänger ebensowenig durch vorgetäuschten
Prunk beleidigen wie durch schäbige Sparsam-
keit. Wenn es auch das Ziel sein mußte, mit
den verfügbaren Mitteln möglichst vielen zu
helfen, so brauchte doch darum die Gabe nicht
karg auszufallen und brauchte nicht jener Freu-
digkeit zu entbehren, die in allem Neuanfangen
und Neuaufbauen liegt. So war die Linie von
selbst gegeben. Die Klippen, welche gefährlich
werden konnten, waren, sich von aller falschen
Städtischkeit auf der einen Seite, aber auch von
aller spielerischen Bäuerischkeit, von allem
ländlichen Kostüm freizuhalten. Ist auch die
letztere Gefahr vielleicht nicht völlig vermieden
worden, so wurde doch im wesentlichen das
Richtige getroffen. Alle die Forderungen der
Sachlichkeit und Zweckhaftigkeit, die den gei-
stigen Grundbestand des neuen Kunstgewerbes
bilden, erhielten doppeltes Gewicht durch die
Nähe der Not des Krieges, vor der diese Möbel
bestehen sollen. Da verboten sich alle selbst-
gefälligen Eigenentwürfe und alles müßige Ex-
perimentieren ganz von selbst. — Dies sind
natürlich alles keine erschütternd neue Dinge.
Aber auf das „Neue" kommt es ja auch bei sol-
chen Gebrauchsformen nicht an. Das ist ja die
so einfache und so selten ganz erfüllte Forde-
rung an den Werkkünstler: die große Beschei-
dung und Selbstentäußerung, das völlige Zurück-
treten hinter das Gerät, das uns in allen Lebens-
lagen ein vertrauter Umgang sein soll, ohne uns

mit überflüssigen Mitteilungen von der Indivi-
dualität seines Herstellers zu belästigen. Und
diese große Sachlichkeit scheinen sich die ent-
werfenden Künstler diesmal besonders zum Ge-
wissen gemacht zu haben. Denn es ist wohl
ein Unterschied, ob ein Künstler bei der Arbeit
daran denkt, daß seine Möbel in ein behagliches
Haus kommen, wo sie den Besuchern gezeigt
werden: „Entwurf des berühmten X. Z.", oder ob
er weiß, daß sie Menschen dienen sollen, die mit
einfachsten Mitteln von vorn anfangen müssen.

In der Ausführung war man zumeist auf die
Verwendung weicher Holzarten angewiesen,
und diese weitgehende Verwendung weicher
Hölzer ist es, was den ersten Gesamteindruck
der Ausstellung bestimmt, beinah dem Bild
eine gewisse Geschlossenheit verleiht. Auch
dies ist ja gewiß nichts neues; man hat schon
längst wieder gelernt, sich an der breiten Ma-
serung des weichen Holzes zu freuen. Aber
wenn man die weichen Hölzer ungedeckt ver-
wendete, so geschah es meistens wieder mit
ganz bestimmten dekorativen Absichten, wie
sie durch einen bestimmten Zweck nahegelegt
waren, etwa für die Diele eines Landhauses
oder dergl. In dieser Ausstellung haben wir
mehrfache recht geschickte und ansprechende
Lösungen der Aufgabe gefunden, aus weichem
Holz ein Bett zu zimmern, das einfach ein Bett
ist, kein Bett eines Jagdhauses, aber auch kein
Gesindebett eines Herrschaftshauses, und wo-
bei das Material mit soviel Liebe behandelt ist,
daß nicht im geringsten der Eindruck der Dürf-
tigkeit entsteht. Die Anschaffungspreise sind
in den Räumen groß angeschrieben: sie be-
lehren uns, daß die durch die Verwendung
weichen Materials erzielte Verbilligung nicht
etwa dadurch illusorisch gemacht wird, daß
ausgesuchte Stücke verwendet werden müssen.

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