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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 36.1915

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Frank, Willy: Geschmacksbildung und geschäftliche Propaganda
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https://doi.org/10.11588/diglit.8676#0445

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Geschmacksbildung und geschäftliche Propaganda.

MÖBEL IN NEBENSTEHEND. SCHLAFZIMMER.

der mir eine unsaubere oder ordinär auf schlech-
tem Papier gedruckte Besuchskarte vorlegen
läßt, hat von vorneherein mein Vorurteil gegen
sich. Umgekehrt schließt man von einer ge-
schmackvollen Karte gleich auf einen gesell-
schaftlich beachtlichen Menschen. Zur Beurtei-
lung der Geschmacksfrage im Reklamewesen
braucht der Geschäftsmann ja nur sich selbst
an richtig gewählten Beispielen zu prüfen. Zwei
Firmen bieten ihm gleichzeitig denselben Gegen-
stand an, nehmen wir an: Damenkonfektion
oder Herrenkleidung. Die eine tut dies auf
Briefbogen von anständigem weißem oder schön
farbigem Papier, geschmackvoll gestochen oder
gedruckt, mit schönen Prospekten, die sofort
einen sauberen, eleganten Eindruck machen;
die andere verwendet für ihr Angebot dünnes
kariertes Papier, ersichtlich von einer billigen
Druckerei hergestellt, und unansehnliche Pro-
spekte, überladen mit Text und mit schlechter
Schrift wahllos angefüllt. Wird er nicht dieses
Angebot zerknüllt in den Papierkorb werfen
und die solider wirkende Firma bevorzugen?
Man kann aber zugunsten des Geschmackes in

JO^SEN BACHER- WERKSTÄTTEN—MÜN CHEN.

der Propaganda noch stichhaltigere Dinge an-
führen. So hat ein Münchener Fachmann ein-
mal die Frage der künstlerischen Prospekte
untersucht:

„Zunächst eine Frage: Kümmert sich das
Publikum überhaupt darum, ob ein Prospekt
schlecht oder gut aussieht? Ich glaube, diese
Frage kann heute ohne weiteres bejaht werden.
Schon auf der Ausstellung München 1908
konnte beobachtet werden, daß das Publikum
eine richtige Sammeltätigkeit im Zusammen-
bringen guter Drucksachen entfaltete. Eine
kleine Enzianbrennerei, für die ein Münchener
Künstler eine sehr wirkungsvolle kleine Zeich-
nung entworfen hatte, mußte auf Wunsch mehr
als 20 000 Karten an Besucher abgeben. Eine
andere Firma, die neben jener Enzianbrennerei
ihre Geschäftskarten zu verteilen suchte —
Karten teuerster Herstellung, Stahlstich mit
langweiliger Fabrikansicht und einigen Dutzend
Ausstellungsmedaillen — konnte in derselben
Zeit trotz des eifrigsten Bemühens der Ver-
käuferin ihre Adresse nur 2000 mal an den
Mann bringen. ..."

XVIII. Scplembcr 1915 6

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