Geschmacksbildung und geschäftliche Propaganda.
»KÜCHE« AUSSTELLUNG DER MÜNCHENER OSTl'REUSSENHILIE. ENTW. U. AUSF : MÖBELFABRIK M. BALLIN—MÜNCHEN.
diese Schachteln sind alle Musterbeispiele von
Geschmacklosigkeit, obwohl sie in Reliefdruck,
mit zahlreichen Farben, mit Goldschrift und allem
erdenklichen Aufwand an technischen Mitteln
hergestellt werden und infolgedessen gar nicht
wenig kosten. Die Käufer verlassen dann ge-
wöhnlich wieder den Laden, gehen in ein be-
nachbartes Schreibwarengeschäft, das sichdurch
den Verkauf origineller kleiner Pappschachteln
längst einen bekannten Namen gemacht hat, und
kehren dann mit einer dieser Schachteln in die
Konditorei zurück, um sie dort füllen zu lassen.
Dabei ist noch besonders bemerkenswert, daß
diese kleinen Pappschachteln infolge der Güte
des verwendeten Papiers und infolge der sorg-
fältigen Buchbinderarbeit teuerer zu stehen kom-
men als jene geschmacklosen Kartonnagen".
Solche Fälle beweisen dem Kaufmann, daß
eben die jahrzehntelange Arbeit, die unsere
Künstler, Ausstellungen und Kunstzeitschriften
im Dienste der allgemeinen Geschmacksver-
feinerung hinter sich haben, nicht vergebens
gewesen sind. Im Anfange wurde dem Kon-
sumenten die höhere geschmackliche Leistung
als ein Programm, als eine Art Forderung ent-
gegengetragen. Nunmehr ist er es, der dieses
höhere geschmackliche Niveau vom Verkäufer
fordert. Auch in Zukunft wird die Beachtung
des Geschmacks-Standpunktes in Sachen der
Propaganda für den Kaufmann nichts von ihrer
Wichtigkeit verlieren. Denn wo eine solche
Entwicklung einmal eingesetzt hat, da gewinnt
sie ständig an Kraft, ganz abgesehen davon,
daß im deutschen Leben fortan die Kultur des
Geschmackes eine Sache von geradezu natio-
naler Bedeutung sein wird. willy frank.
Ä
Ohne Zweifel kann und muß es soweit kommen,
daß nichts dem Auge sichtbares entsteht, ohne
die künstlerische Weihe zu empfangen. Es darf nie
vergessen werden, daß die Kunst eines Landes der
Wei tmesser nicht allein seines Wohlstandes, sondern
vor allem auch seiner Intelligenz ist. — Olto Wagner,
-x-
Das Schöne ist nicht durch seine Bedeutung, nicht
durch seinen Inhalt und seelischen Ausdruck
schön, sondern durch seine Form, nur der Philister
sucht es in Gehalt und Ausdruck. — Fr.Th.Viseher.
Wie der Mensch in erster und höchster Beziehung
sich selbst Gegenstand und Stoff künstlerischer
Behandlung wird, dehnt er sein Verlangen nach künst-
lerischer Darstellung auch auf die Gegenstände aus,
die ihn umgeben......... Richard Wngner.
444
»KÜCHE« AUSSTELLUNG DER MÜNCHENER OSTl'REUSSENHILIE. ENTW. U. AUSF : MÖBELFABRIK M. BALLIN—MÜNCHEN.
diese Schachteln sind alle Musterbeispiele von
Geschmacklosigkeit, obwohl sie in Reliefdruck,
mit zahlreichen Farben, mit Goldschrift und allem
erdenklichen Aufwand an technischen Mitteln
hergestellt werden und infolgedessen gar nicht
wenig kosten. Die Käufer verlassen dann ge-
wöhnlich wieder den Laden, gehen in ein be-
nachbartes Schreibwarengeschäft, das sichdurch
den Verkauf origineller kleiner Pappschachteln
längst einen bekannten Namen gemacht hat, und
kehren dann mit einer dieser Schachteln in die
Konditorei zurück, um sie dort füllen zu lassen.
Dabei ist noch besonders bemerkenswert, daß
diese kleinen Pappschachteln infolge der Güte
des verwendeten Papiers und infolge der sorg-
fältigen Buchbinderarbeit teuerer zu stehen kom-
men als jene geschmacklosen Kartonnagen".
Solche Fälle beweisen dem Kaufmann, daß
eben die jahrzehntelange Arbeit, die unsere
Künstler, Ausstellungen und Kunstzeitschriften
im Dienste der allgemeinen Geschmacksver-
feinerung hinter sich haben, nicht vergebens
gewesen sind. Im Anfange wurde dem Kon-
sumenten die höhere geschmackliche Leistung
als ein Programm, als eine Art Forderung ent-
gegengetragen. Nunmehr ist er es, der dieses
höhere geschmackliche Niveau vom Verkäufer
fordert. Auch in Zukunft wird die Beachtung
des Geschmacks-Standpunktes in Sachen der
Propaganda für den Kaufmann nichts von ihrer
Wichtigkeit verlieren. Denn wo eine solche
Entwicklung einmal eingesetzt hat, da gewinnt
sie ständig an Kraft, ganz abgesehen davon,
daß im deutschen Leben fortan die Kultur des
Geschmackes eine Sache von geradezu natio-
naler Bedeutung sein wird. willy frank.
Ä
Ohne Zweifel kann und muß es soweit kommen,
daß nichts dem Auge sichtbares entsteht, ohne
die künstlerische Weihe zu empfangen. Es darf nie
vergessen werden, daß die Kunst eines Landes der
Wei tmesser nicht allein seines Wohlstandes, sondern
vor allem auch seiner Intelligenz ist. — Olto Wagner,
-x-
Das Schöne ist nicht durch seine Bedeutung, nicht
durch seinen Inhalt und seelischen Ausdruck
schön, sondern durch seine Form, nur der Philister
sucht es in Gehalt und Ausdruck. — Fr.Th.Viseher.
Wie der Mensch in erster und höchster Beziehung
sich selbst Gegenstand und Stoff künstlerischer
Behandlung wird, dehnt er sein Verlangen nach künst-
lerischer Darstellung auch auf die Gegenstände aus,
die ihn umgeben......... Richard Wngner.
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