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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 36.1915

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Migge, Leberecht: Ein Aristokratischer Garten
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https://doi.org/10.11588/diglit.8676#0458

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Ein aristokratischer Garten.

LEBERECHT MIGGE HAMBURG.

GARTEN DR. EMDEN. QUELLE MIT SITZPLÄTZEN.

Rohen vorgefundenen Struktur aufbaute, sie
hat gewiss keines (vorausgesetzt, daß es so
etwas gibt) intuitiven Schweißes bedurft. Nur
selten deutet da schon etwas auf jene herbe
Hartnäckigkeit der Linie, auf die gewisse Wol-
lust der Erscheinung hin, wie sie wohl das
heutige Kunstleben im übrigen nähren. Ach,
auch künstlerisch sagt er uns nichts, wie wir
sehen. Es ist alles so einfach, beinahe unan-
ständig einfach in diesem Garten. —

Trotz alledem! Ich freue mich, gerade die-
sen, über der stürmenden Jungarbeit fast ver-
gessenen Garten, heute nach fünf Jahren so
stramm herangewachsen, wiederbegrüßen zu
können. Mit seinem klaren, unaufdringlichen
Wesen hat er mich, inmitten des schier welt-
umfassenden sozialen Getriebes dieser Zeit —
gewiß, er hat mich an die traurige Not und an
das schöne Recht auch des Reichtums erinnert.
Denn ich verkündige ja nur eine Binsenweisheit,
wenn ich an dieser Stelle an den vorwiegend
sozialen Ursprung der modernen Garten-
bewegung erinnere; aber auch dort, wo ihre
weitere Entwickelung nicht mehr in rein ver-
teilender Neigung sich erschöpfte, auch ihre

dekorativen Ansätze waren vorzugsweise doch
nur Ergebnis und Anteil des allgemeinen demo-
kratischen Willens nach kultureller Erneuerung.
Diese, gewissermaßen gesellschaftliche Periode
unseres Garten ist auch heule noch lange nicht
abgeschlossen, ja sie mag nach dem Kriege
noch recht eine Steigerung erfahren.

Immerhin, lediglich durch die großzügige Ver-
legung menschlicher Körperbewegung ins Gar-
tengrüne, allein durch typische Vielheit und
drastische Handgreiflichkeit, werden wir un-
seren Bestrebungen auf diesem Gebiete ein
kulturgeschichtliches Gewicht nicht verschaffen
können. Mir scheint, es ist nötig, daß sich nun
auch das Feingeistige, dessen wir fähig sind,
in unseren Gärten wiederspiegele. Wir müssen
Ihnen das unsicher Streberhafte, jenen leichten
Geschmack nach Emporkömmling- und Banau-
sentum zu nehmen suchen. Auch dem Schaf-
fenden würden solcherlei Abwandlungen ge-
legentlich Erleichterung bedeuten. Potz Hin-
denburg und Falkenhayn noch einmal! Nach
all den errechneten, verglichenen und ver-
handelten Gärten möchte unsereins gern mal
wieder einen Garten haben, der, ohne viel

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