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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 36.1915

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Migge, Leberecht: Ein Aristokratischer Garten
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https://doi.org/10.11588/diglit.8676#0465

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Ein aristokratischer Garten.

Deutelei, mit einer einzigen martialischen Geste
zur schönen Größe „befohlen" wird.

Und an diesen Punkt, scheint mir, setzt der
natürliche Berut eines Reichtums ein, der seine
gehobene, auf geistiger Schönheit und ge-
schlossene Persönlichkeit beruhende Lebens-
führung nun auch auf den Garten überträgt.
Dem genügt dann das bloße Gefällige der Er-
scheinung nicht mehr. Er will Weite über den
nackten Zweck hinaus, will Beschränkung auf
das starke Wesentliche, auf das Einzige — will
künstlerische Stilisierung.

Eben diese, zwar anspruchslose, aber gerade
deshalb markante Einheitlichkeit von Form und
Material, dieser gewisse Ansatz von Monu-
mentalität ist es, der mir diesen frühen Garten
heute wertvoll macht. Mit seiner beruhigend
mono.tonen Wiederholung mahnt er erfolgreich,
im kreisenden Fortschritt der Technik nicht der
urbildenden Kraft der weisen Beschränkung zu
vergessen: Auch das bunteste und seltenste
Pflanzenkleid kann einem Garten nichts nutzen,
müßte er darüber das persönliche Gesicht ver-
lieren. So gespiegelt, gewinnt der Garten wie-
der ein ganz anderes Gesicht, nämlich sein

eigenes. Da sprudelt das Brunnenrund im rosen-
roten Vorhofe noch einmal so einladend und
der Blick gleitet jetzt gern das silberblitzende
Band der Kaskade hinauf zu der Quelle (deren
Sockel noch die große „Ruhende" erwartet).
Voll Energie weitet sich der Weg jenseits des
Bodens zum geselligen Platz, auf dem das
stumpfe Grau der Bänke und Spaliere den
dunkelroten Schlingern und farbigschillernden
Teppichbeeten eine gute Folie geben. Aber
noch nicht genug des Raums. Weiter streben
die Linien und Fluchten nach außen, wollen
Wolken und Lüfte erfassen, gleiten und drängen
zur Seite bis ihnen feste Lauben ein Paroli
bieten. Die aber sind die Tore zum Hain,
der hoch oben in lagernder Ruhe aller Be-
wegung Meister ist. Unter seinem Schutz
breiten sich weiße Lilien, prangen roter Flox
und blauer Rittersporn, und aus seinem tiefen
Schatten gleitet das Auge zurück über den
sonnigen Glanz der Gärten zu seinen Füßen.
In denen entdeckt man nun doch noch mancher-
lei Pflanzenschöne. Da ein verstecktes Primel-
gärtchen, hier ein gleiches voll von herbstlichen
Astern und Anemonen, dort einen Fliedergang,

XVIII. September 1915. 8

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