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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 38.1916

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Riezler, Walter: Albert Weisgerber, München
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https://doi.org/10.11588/diglit.8538#0021

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Albert Weisgerber f München.

ALBERT WEISGERBER f GEMÄLDE »PFERD IM KIEFERNWALD« Il918j.

heit der Welt in der Bildform visionär enthüllt.
Daß Cezanne für ihn das Höchste sei, — be-
zeichnender Weise neben Fra Angelico — hat
Weisgerber oft gesagt. Er folgte ihm in seiner
Malerei so weit, daß man vor Einzelheiten oft wie
vor einer Nachahmung steht. Es ist nicht nur
die farbige Zerlegung der Dinge, die Wiederkehr
der gleichen Farbelemente in verschiedenen
Akkorden und das farbige Gleichgewicht der
Bilder an Stelle eines Rhythmus, dessen Auf
und Ab im Hell und Dunkel liegt: wie er einen
Baum sieht, wie er die Blattmassen ihrer Indi-
vidualität entkleidet und ihnen dafür ein höheres
Leben verleiht, das ganz in ihrer farbigen Ver-
körperung und in ihrer rhythmischen, aber dabei
wahrhaftig nicht dekorativen Rolle innerhalb
des Bildes liegt, und wie er die Baumstämme
als stark sprechende lineare, zäsurenbildende
Kontraste dagegenstellt und durch die Farbe
doch auch wieder mit dem anderen zusammen-
bindet, das kommt Cezanne so nahe, daß es
„Schule" wäre, wenn er nicht so echt, so un-

mittelbar erlebt, so natürlich wirkte. Es ist
eine wirkliche innere Auseinandersetzung mit
der Anschauung eines großen Vorbilds.

Niemals würde man, darauf darf heute ganz
besonders hingewiesen werden, Weisgerbers
deutsche Art verkennen, ihn etwa für einen
Franzosen halten. Worin der Unterschied liegt,
ist sehr schwer zu sagen, so deutlich es emp-
funden wird. Vielleicht kommt man der Lösung
nahe, wenn man das Verhältnis der Figuren zur
Landschaft in Weisgerbers Bildern mit dem bei
Cezanne vergleicht, für den dieses Problem be-
kanntlich auch eines der tiefsten war. Hier ist
Weisgerber fast stets, auch wenn er dem Fran-
zosen noch so nahe kommt, dualistischer, kon-
fliktreicher, die Einheit zwischen beiden Ele-
menten wird von ihm durch einen Kampf ge-
wonnen, während sie für den Franzosen von
Anfang der Welt an da zu sein scheint; in
Weisgerber ist ein romantisches Element, etwas,
das man, müßte man nicht fürchten, völlig miß-
verstanden zu werden, gegenständlich-poetisch
 
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