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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 38.1916

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Eberhardt, Hugo: Beispiele für Verwundeten-Beschäftigung: Arbeiten aus dem Lazarett für Berufsübungen. Technische Lehranstalten, Offenbach am Main
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https://doi.org/10.11588/diglit.8538#0165

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Beispiele für Verwundeten-Beschäftigung.

übrigen Volkes — nämlich der Frauen, der
Männer unter 20 und über 45 Jahren und der
Kinder — dem im Gegensatz zu ersterem die
Aufgabe zufalle, unsere Repräsentation als
Kulturvolk zu übernehmen.

Wir stehen vielfach noch stark unter dem
Eindruck der allerprimitivsten Auffassung des
Zweckes der Lazarettbeschäftigung: die Lang-
weile aus dem Krankensaal zu bannen. Die
lange Kriegsdauer müßte uns andere, höhere
Ziele aufzwingen. Die Lazarettbeschäftigung
darf nicht darauf ausgehen, die Zeit tot zu
schlagen, wir müßten im Gegenteil besorgt sein,
sie recht lebendig zu gestalten.

Es ist nötig, sich Gedanken darüber zu
machen, was ist nun der Effekt der Beschäf-
tigung in den Hunderten von Lazaretten, in den
Tausenden von Lazarettsälen während Hundert-
tausenden von Stunden emsiger Arbeit? Was
ist das Ergebnis dieser Unsumme an Arbeits-
kraft, an Arbeitszeit, an Arbeitsmaterial und
an Arbeitsfreude ? Es mag sein, daß das Ver-
gnügen an den sogenannten „Lazarettkunst-
ausstellungen" durch solche Gedanken und Be-
trachtungen etwas herabgestimmt wird.

Was wird aus den Tausenden von Dingen un-
erfreulicher Art, die dem Beschäftigungstrieb

unserer Lazarettsäle ihr Entstehen verdanken?
Auch diese Machwerke wandern als Geschenke
hinein in Tausende von Familien und eine be-
greifliche Pietät bereitet den Wahrzeichen
banger Sorge um einen lieben Angehörigen
einen Ehrenplatz im deutschen Hause.

Wann werden wir diese Gegenstände aus
dem deutschen Hause wieder herausbringen
und wie werden spätere Zeiten über diese Er-
zeugnisse denken, wenn das sorgende Herz
keine Entschuldigungsgründe für diese Sachen
mehr vorzubringen vermag?

Wir müssen Einkehr halten. Den üblen und
unwürdigen Dingen, an die noch so manche
unserer Lazarette Zeit, Mühe und Arbeits-
freude verschwenden, muß ein Ende gemacht
werden. Künstlerisch tätige, oder wenigstens
künstlerisch empfindende Beiräte müssen zu-
sammen mit handfertigkeitsgeschulten Kräften
Anregung in die Lazarette tragen und die Ver-
wundetenbeschäftigung überwachen.

Die geschmacksichere Anleitung breiter
Massen müßte auf die künstlerische Entwicklung
unseres Volkes von allergrößtem Einfluß sein.
Die im Lazarett erlernte Kunstfertigkeit müßte
auch in dem entlegensten Dorf auf Jahre hinaus
den Winterabend mit Schaffensfreude füllen.
 
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