Mensch und Künstler.
freiheit oder gar eine süffisante nachsichtigere
Beurteilung zuzugestehen, sondern es gilt zu
begreifen, daß der Schwerpunkt seiner Sitt-
lichkeit eben wo ganz anders liegt, als bei den
unschöpferischen Naturen.
Ein Kunstwerk ist nicht wie eine Schulauf-
gabe dann das beste, wenn es die wenigsten
nFehler" aufweist, sondern sein Wert bestimmt
sich aus seinen Vorzügen. Nicht anders ver-
hält es sich mit dem bildenden Künstler.
Damit sind wir bereits von der Moral zur
Ethik übergegangen. Begnügt sich die Moral
mit unserer Einordnung in einen allgemein gil-
tigen Komplex von Sittenregeln, so verlangt
die Ethik dagegen, daß wir den keimkräf-
tigen Kern unsres Wesens, unser Selbst,
nicht verleugnen und verkümmern lassen, son-
dern seinem Wachstum und Höhenantrieb bis
in die letzten Konsequenzen von Blüte und
Frucht folgen. Die Moral betrifft nur die Per-
son, die Ethik aber die Persönlichkeit.
— Und somit kommen wir zum Schluß: ob die
Person des Künstlers legalen und moralischen
Forderungen der bürgerlichen Gesellschaft ent-
spricht oder ihr gegenüber versagt, darf nur
unser Urteil über den Menschen, unabhängig
vom Künstler, beeinflussen, ob er aber als Per-
sönlichkeit sich bewährt oder hierin versagt, das
betrifft mit dem Menschen zugleich den Künstler.
Wir können bei Goethe z. B. die Entstehung
seiner großen Werke nicht loslösen von seinem
mächtigen Drang, „sich zu vollenden", der uns
in seinem reichen, organisch gestalteten Leben
immer wieder das Walten der Persönlichkeit
offenbart, und wir werden überall, wo wir
einem Werke wahrhafte Größe zusprechen, zu
einem ähnlichen Ergebnis gelangen. Aber auch
der Schluß von der Persönlichkeit zum Werk
bleibt uns offen, wenn wir erkennen, daß bei
jeder sittlich großen Persönlichkeit eine schöpfe-
rische Kraft sich „künstlerisch" bewährt; denn
auch das Leben erscheint uns als Kunstwerk,
sobald in ihm ein persönliches Selbst schöpfe-
risch waltet........... KARL HECKKL.
MAX FELDBAUER—MITTERNDORF. GEMÄLDE-STUDIE »ACKERGAUL«
freiheit oder gar eine süffisante nachsichtigere
Beurteilung zuzugestehen, sondern es gilt zu
begreifen, daß der Schwerpunkt seiner Sitt-
lichkeit eben wo ganz anders liegt, als bei den
unschöpferischen Naturen.
Ein Kunstwerk ist nicht wie eine Schulauf-
gabe dann das beste, wenn es die wenigsten
nFehler" aufweist, sondern sein Wert bestimmt
sich aus seinen Vorzügen. Nicht anders ver-
hält es sich mit dem bildenden Künstler.
Damit sind wir bereits von der Moral zur
Ethik übergegangen. Begnügt sich die Moral
mit unserer Einordnung in einen allgemein gil-
tigen Komplex von Sittenregeln, so verlangt
die Ethik dagegen, daß wir den keimkräf-
tigen Kern unsres Wesens, unser Selbst,
nicht verleugnen und verkümmern lassen, son-
dern seinem Wachstum und Höhenantrieb bis
in die letzten Konsequenzen von Blüte und
Frucht folgen. Die Moral betrifft nur die Per-
son, die Ethik aber die Persönlichkeit.
— Und somit kommen wir zum Schluß: ob die
Person des Künstlers legalen und moralischen
Forderungen der bürgerlichen Gesellschaft ent-
spricht oder ihr gegenüber versagt, darf nur
unser Urteil über den Menschen, unabhängig
vom Künstler, beeinflussen, ob er aber als Per-
sönlichkeit sich bewährt oder hierin versagt, das
betrifft mit dem Menschen zugleich den Künstler.
Wir können bei Goethe z. B. die Entstehung
seiner großen Werke nicht loslösen von seinem
mächtigen Drang, „sich zu vollenden", der uns
in seinem reichen, organisch gestalteten Leben
immer wieder das Walten der Persönlichkeit
offenbart, und wir werden überall, wo wir
einem Werke wahrhafte Größe zusprechen, zu
einem ähnlichen Ergebnis gelangen. Aber auch
der Schluß von der Persönlichkeit zum Werk
bleibt uns offen, wenn wir erkennen, daß bei
jeder sittlich großen Persönlichkeit eine schöpfe-
rische Kraft sich „künstlerisch" bewährt; denn
auch das Leben erscheint uns als Kunstwerk,
sobald in ihm ein persönliches Selbst schöpfe-
risch waltet........... KARL HECKKL.
MAX FELDBAUER—MITTERNDORF. GEMÄLDE-STUDIE »ACKERGAUL«