Die Idee des Scliöpferischen.
rischen Prozesses. Ihre
Gesetzmäßigkeit als Or-
ganismus ist die allgemein
gültige Notwendigkeit der
Idee, ist absolut verbind-
liches, notwendiges Gesetz
schlechthin. In dieser Rea-
lisierung liegt nicht mehr
nach plotinischer Anschau-
ung eine Degradierung des
Geistes durch die Materie,
sondern diese ist erschöp-
fende und restlose Aus-
drucksform der (in sich be-
grenzten) Idee. Darum sagt
Schiller mit Recht:
„Aber frei von jeder Zeit-
gewalt,
die Gespielin seliger Naturen,
wandelt oben in des Lichtes
Fluren
göttlich unter Göttern die
Gestalt."
Diese Gestalt, mag sie
nun im Kunstwerk, in ei-
nem philosophischen Sy-
stem, im ethischen Gesetz
des Handelns oder im Gott
der Religion zur Erschei-
nung kommen, bedeutet
die letzte und höchste
Stufe der Entwicklung des
gesamten Lebens. Der
Weg, der bei der Infusorie
anhebt, endet im Genie.
Es ist eine merkwürdige
Ironie, daß die Entwick-
lungsgeschichte in demsel-
ben Augenblick, da sie das
Leben in seine primitivsten
Ursprünge zurückverfolgte
und kühn genug war, es
sogar dem Anorganischen
selbst zu verbinden, davor
zurückscheute, das Leben
auch bis in seine höchsten
Entfaltungen anzuerken-
nen. Statt den Bogen der
Entwicklung, den das Le-
ben durchlaufen hat, vom
Schlamm zum Schöpfer zu
spannen, suchte es diesen
als Wahnsinnigen zu ent-
werten, in dem Irrtum,
dem Mechanismus des gei-
stigen Lebens näher zu
kommen. Es istgerade um-
OSK. COKSTRR-MVXCHEX. GEMÄLDE >ANGLER
gekehrt. Nur die volle An-
erkennung des schöpferi-
schen Menschen in seiner
Eigentümlichkeit wird den
schöpferischen Prozeß der
Lebens - Entwicklung be-
greiflich machen. Freilich
hat seine Bewegung im Be-
wußtsein des Menschen
eine eigentümliche Wen-
dung genommen, indem
das Geschick des Leben-
müssens zum Willen zur
höchsten Schöpfung wurde.
So wenig die einzelne Tat
des Genies Nachahmung
der Wirklichkeit sein will
und ist, so sehr ist das Ge-
nie ein Sammelspiegel, in
dem das auseinander stre-
bende Leben sich zu einer
Einheit konzentriert, wo
Zwang und Freiheit, natür-
liche Gebundenheit und
freier Wille, Sein und Wer-
den, Innen und Außen,
Totalität und Einzelheit
zu einer Harmonie verei-
nigt ist, welche Form ge-
winnt, ohne Schein zu sein
und die Totalität der Welt
in einem einzelnen Orga-
nismus darstellt. Die Mög-
lichkeit, eine solche Ge-
stalt zu bilden, teilt die
Welt in eine geschaffene
und eine schaffende, die
beide von dem gleichen
Gesetz der schöpferischen
Bewegung beherrscht wer-
den. — Entgegen der all-
gemeinen Anschauung,
welche die Künste in ihrer
Vereinzelung sieht, habe
ich den schöpferischen
Trieb als dasjenige Fun-
dament darzustellen ver-
sucht, das alle Künste als
ihr Gemeinsames umfaßt.
Und nicht nur die Künste!
„Ja, ja, mein Guter, man
braucht nicht bloß Ge-
dichte und Schauspiele zu
machen, um produktiv zu
sein, es gibt auch eine Pro-
duktivität der Taten, die
in manchen Fällen noch
XIX. August 1916. 3
rischen Prozesses. Ihre
Gesetzmäßigkeit als Or-
ganismus ist die allgemein
gültige Notwendigkeit der
Idee, ist absolut verbind-
liches, notwendiges Gesetz
schlechthin. In dieser Rea-
lisierung liegt nicht mehr
nach plotinischer Anschau-
ung eine Degradierung des
Geistes durch die Materie,
sondern diese ist erschöp-
fende und restlose Aus-
drucksform der (in sich be-
grenzten) Idee. Darum sagt
Schiller mit Recht:
„Aber frei von jeder Zeit-
gewalt,
die Gespielin seliger Naturen,
wandelt oben in des Lichtes
Fluren
göttlich unter Göttern die
Gestalt."
Diese Gestalt, mag sie
nun im Kunstwerk, in ei-
nem philosophischen Sy-
stem, im ethischen Gesetz
des Handelns oder im Gott
der Religion zur Erschei-
nung kommen, bedeutet
die letzte und höchste
Stufe der Entwicklung des
gesamten Lebens. Der
Weg, der bei der Infusorie
anhebt, endet im Genie.
Es ist eine merkwürdige
Ironie, daß die Entwick-
lungsgeschichte in demsel-
ben Augenblick, da sie das
Leben in seine primitivsten
Ursprünge zurückverfolgte
und kühn genug war, es
sogar dem Anorganischen
selbst zu verbinden, davor
zurückscheute, das Leben
auch bis in seine höchsten
Entfaltungen anzuerken-
nen. Statt den Bogen der
Entwicklung, den das Le-
ben durchlaufen hat, vom
Schlamm zum Schöpfer zu
spannen, suchte es diesen
als Wahnsinnigen zu ent-
werten, in dem Irrtum,
dem Mechanismus des gei-
stigen Lebens näher zu
kommen. Es istgerade um-
OSK. COKSTRR-MVXCHEX. GEMÄLDE >ANGLER
gekehrt. Nur die volle An-
erkennung des schöpferi-
schen Menschen in seiner
Eigentümlichkeit wird den
schöpferischen Prozeß der
Lebens - Entwicklung be-
greiflich machen. Freilich
hat seine Bewegung im Be-
wußtsein des Menschen
eine eigentümliche Wen-
dung genommen, indem
das Geschick des Leben-
müssens zum Willen zur
höchsten Schöpfung wurde.
So wenig die einzelne Tat
des Genies Nachahmung
der Wirklichkeit sein will
und ist, so sehr ist das Ge-
nie ein Sammelspiegel, in
dem das auseinander stre-
bende Leben sich zu einer
Einheit konzentriert, wo
Zwang und Freiheit, natür-
liche Gebundenheit und
freier Wille, Sein und Wer-
den, Innen und Außen,
Totalität und Einzelheit
zu einer Harmonie verei-
nigt ist, welche Form ge-
winnt, ohne Schein zu sein
und die Totalität der Welt
in einem einzelnen Orga-
nismus darstellt. Die Mög-
lichkeit, eine solche Ge-
stalt zu bilden, teilt die
Welt in eine geschaffene
und eine schaffende, die
beide von dem gleichen
Gesetz der schöpferischen
Bewegung beherrscht wer-
den. — Entgegen der all-
gemeinen Anschauung,
welche die Künste in ihrer
Vereinzelung sieht, habe
ich den schöpferischen
Trieb als dasjenige Fun-
dament darzustellen ver-
sucht, das alle Künste als
ihr Gemeinsames umfaßt.
Und nicht nur die Künste!
„Ja, ja, mein Guter, man
braucht nicht bloß Ge-
dichte und Schauspiele zu
machen, um produktiv zu
sein, es gibt auch eine Pro-
duktivität der Taten, die
in manchen Fällen noch
XIX. August 1916. 3