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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 38.1916

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Klein, Rudolf: Vom Schreiben und Lesen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8538#0339

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Vom Schreiben und Lesen.

EDWIN SCHARFF-
MÜiNCHEN.
»BÜSTE DES
HRUDERS«

Inhalt mit reiner Kunst. Zu Zeiten, da die Kunst
ein notwendiger Kulturausdruck war, wäre so
leicht niemand auf diese Ansicht gekommen.
Der Inhalt war damals das selbstverständlichste
und darum natürlich, lebensvoll. Wurzelt ein
Kunstwerk in einer solchen Zeit, so mag immer-
hin seine Anerkennung vorübergehend schwin-
den; kehren aber verwandte Zeiten wieder —
und dies ist eine Notwendigkeit, da alles Geistes-
leben polarisiert — es wird zu neuem Leben
erweckt werden, durch ein ähnlich geartetes
Empfindungsleben. In unseren Tagen aber, da
die Kunst mit ganz geringer Ausnahme nicht
aus der eigenen Zeit gewachsen ist, da ihr In-
halt teils historisch rekonstruiert wurde, teils
ästhetisch-absichtsvoll zurechtgelegt, sah sich
die Mehrzahl der Künstler genötigt, nach einem
gewollten Inhalt zu suchen. Ein solcher aber
ist stets von fraglichem Wert, sei er nun histo-
rischer, anekdotischer oder rein ästhetischer Art,
und von kurzer Lebensdauer, da er nie zu ech-
tem Seelenleben erwachte. Selbst wenn solche

Werke einmal revolutionierend wirkten. Ich
will ein simples Beispiel aus dem vorigen Jahr-
hundert wählen. Es unterliegt keinem Zweifel,
daß Knaus und Vautier nach der Theaterhistorie
gerade fortschrittlich gesinnten Leuten wie eine
Erlösung, ein natürliches Labsal kamen. Und
was sind sie uns heute? Und was ist uns aber
heute noch im Gegensatz zu diesen Künstlern
ein Moritz von Schwind ? Dieser Künstler
unterscheidet sich gerade von jenen dadurch,
daß der Inhalt seines Werkes — was in unserer
Zeit überaus selten — absichtslos ist, selbst-
verständlich , und somit seine ganze Kunst.
Und genau jenen Standpunkt der Vergänglich-
keit, den Knaus und Vautier gegen einen Moritz
von Schwind einnehmen, werden viele Impres-
sionisten und Kubisten gegen absichtslosere
Künstler unserer Tage einnehmen. Gegen die
Theaterhistorie war die Kunst eines Knaus und
Vautier damals ein bewußter Fortschritt. Dann
aber erkannte man den Inhalt ihrer Werke als
ebenso unecht wie den der Historienmaler, eben

X'X- August 1916. 4
 
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