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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 38.1916

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Klein, Rudolf: Vom Schreiben und Lesen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8538#0345

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Vom Schreiben und Lesen.

E. PREETOR1US— MÜNCHEN. ILLUSTRATION ZU JEAN PAUL:
LUFTSCHIFFER GIANNOZZO. INSEL-VERLAG LEIPZIG.

weil er zu absichtsvoll war. Könnte man nicht
hieraus schließen, daß es Kunstwerke ganz be-
stimmter Art sind, die unvergänglich sind?
Deren Zeit immer wiederkehrt, wenn auch der
Lärm der Neuerungen ihren Glanz vorüber-
gehend verdunkelt? Und: sollte nicht gerade
dieser Umstand — so sehr ich die Absichts-
losigkeit der Kunst betonte und darauf hinwies,
alle Kunstbetätigung sei aus rein physiologischen
Ursachen ein allen Eingriffen des Nebenmen-
schenEntzogenes, das seine Gesetze in sich trüge
— dennoch auf bestimmte Gesetze der Kunst
schließen lassen?! Gerade in den Tagen des
Impressionismus, da man etwas vom physio-
logischen Sein entdeckt hatte, war man geneigt,
alle Gesetze zu mißachten und zu sagen: jedes
Werk trägt sein Gesetz in sich. Parallel hiermit
ging die impressionistische, standpunktlose
Kritik, die ich wohl unterschieden wissen möchte
von der vorhin erwähnten gefühlsproduktiven,
die das Werden der Zeit formuliert.

Das hier Ausgeführte beweist, daß es be-
stimmte Kunstgesetze gibt, die der Kunst allein

Unvergänglichkeit verbürgen. Gewiß nicht e i n
Gesetz. Gesetze für ein paar stets wieder-
kehrende Phasen. Diese aber sind die gleichen,
wie Jünglings- und Mannesalter der Individuen
und Völker die gleichen sind. Wobei erwähnt
sein mag, daß es wie Individuen so ganze Völker
gibt, die zeitlebens Jünglinge bleiben. Jünglings-
und Mannes-Kunst: die Kunst der Sinne und
die des Gedankens. Beide haben einen im
Individuum bedingten, die eine einen in der Zeit
ruhenden, die andere eine über die Zeit hinaus
zum Ewigen zielenden Inhalt. Während ver-
gänglich ist, dem ein gesuchter Inhalt eigen
oder eine gesuchte Inhaltlosigkeit. Da aber
steckt die Krankheit unserer Zeit wie ihrer
Kunst: es fehlt den Individuen der absichtslose
Inhalt. Und das kommt, sie haben in der ruh-
losen Hast der Umwälzung gesellschaftlichen
Werdens die Beziehungen zu allem und jedem
verloren, zur Heimat wie zum Vaterlande, zum
politischen Leben wie zu Gott. Jeder denkt
an sich und seinen Vorteil, dieweil eine Wirr-
nis der Parteimeinungen herrscht, wie beim

EMIL PREETOR1US—MÜNCHEN. »BUCH-ILLUSTRATION
 
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