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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 38.1916

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Fuchs, Georg: Alice Trübner
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https://doi.org/10.11588/diglit.8538#0403

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AI Ii F. TRI HNER 1 KARLSRUHE.

»WASSERFLASCHE, ZITRONEN UND BEGONIEN«

ALICE TRÜBNER

Am 20. März dieses Jahres hat ein tragischer
£~\. Unfall das Leben einer Frau allzu frühe
geendet, die nicht nur als Künstlerin, sondern
auch ihrer allgemeinen geistigen Wesensart nach
zu den Persönlichkeiten gerechnet werden muß,
welche wohl einmal der Geschichte des Gei-
steslebens unserer Tage angehören werden.
Alice Trübner wird nicht nur dem künftigen
Kunsthistoriker bedeutungsvoll erscheinen als
Gattin und hochbegabte Schülerin Wilhelm
Trübners, sondern sie wird — und dies viel-
leicht in noch höherem Maße — dem analy-
tischen Darsteller des seelischen Gesamtzustan-
des einer gewissen geistig-künstlerischenSchicht
innerhalb unseres Zeitalters als ein fesselndes,
ja man darf wohl sagen als ein faszinierendes
Problem vor Augen stehn. Sie war und bleibt
eine jener „Frauengestalten", die für ein Zeit-
aller eben so wesentlich, eben so kennzeichnend

sind, wie die markanten Männer der Tat, wie
die Schaffenden,und eine jener Frauengestalten,
die gewissermaßen den geistigen Adelskreis
einer Zeit erst vervollständigen, indem sie ihn
über alles Fachmäßige, über alles Künstlerische
und alles sonst irgendwie Spezialisierte hinaus
als höchst verfeinerte Vornehmheit repräsentie-
ren. Um so schmerzlicher für alle, die ihr näher
standen und an dem Reiz und der Phantastik
dieser merkwürdigen Frau Anteil nehmen durf-
ten, daß sie durch einen Unglücksfall aus dem
Leben gerissen werden mußte, bevor sie noch
in das Alter der eigentlichen Reife eingetreten
war. Denn das ist das Besondere an Frauen
ihrer Art, daß sie in der Reife nicht abnehmen
an Reiz und beglückenden Gaben, sondern
ganz im Gegenteil sich erst ihrer strahlenden
Höhe nähern, so sehr ist es das Geistige, das
ihr Wesen ausmacht und ihre Lebensform und

XIX. September 1916. 4
 
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