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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 44.1919

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Jaumann, Anton: Architekt Bruno Schneidereit
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https://doi.org/10.11588/diglit.9120#0286

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ARCHITEKT BRUNO SCHNEIDEREIT.

VON ANTON JAUM ANN.

Wie das Rokoko die Bau- und Raumformen
der Barockzeit übernahm und nur in der
inneren Ausgestaltung, im Dekorativen und
Kunstgewerblichen seinen neuen Stil willen be-
kunden durfte, so sind auch heute dem Archi-
tekten in den Grundlagen seiner Kunst die
Hände gebunden. Die Bautormen sind starr,
das schwere Material, die träge Entwicklung
der gesellschaftlichen Verhältnisse, das alles
hemmt den vom Künstler so heiß ersehnten
Prozeß der Umformung und Erneuerung. Mo-
derne Bauformen gibt es wenige, die weder
nach Antike noch Barock oder Biedermeier
schmecken. Aber der Schluß wäre falsch, dar-
nach unsern Architekten den künstlerischen
Fortschrittsdrang abzusprechen. Unter ihnen
sind eben so viel unruhige, vorwärtsstürmende
Geister wie unter den Künstlern überhaupt,
und da ihr eigentliches Material, der Baustein
so spröde, so werden sie immer wieder wie im
Rokoko auf das Dekorative uad Kunstgewerb-
liche abgedrängt. Auf diesen Gebieten haben
wir in zwanzig Jahren mindestens fünf Revo-
lutionen erlebt, während die Baukunst selbst
sich nur mühsam Schritt für Schritt vorarbeitet.

Auch für Bruno Schneidereit war der Um-
bau der Villa Schmidt in Bromberg eine will-
kommene Gelegenheit, den inneren Sturm der
Formen einmal zu bannen, Künstlerträume zu
verkörpern und zugleich dem neuen Geist ein
Sprachrohr, nein ein Sprachentbinder, ein Pro-
phet zu sein. Eine Flut neuer Formen bricht
über uns herein. Das Weiche, Üppige, dem

wir eben noch zu erliegen drohten, ist ver-
schwunden. Scharf stoßen sich die Linien und
Flächen, in zischenden Explosionen entladen
sich heiße Energien. Alles ist Bewegung, Kraft,
Kampf. Im Oktoberheft der „ Innen-Dekoration"
gelangt das bedeutungsvolle Werk erschöpfend
zur Darstellung. Hier geben wir nur einige
zahmere Proben, die das Neue anmelden sollen.
Es gibt kein Erlahmen in unserer Kunst. Bit-
tere Energie nur wird uns aus dem Dunkel
helfen, und Energie wird auch die neue Formen-
sprache sein. —

Schneidereit hat von dem Strom der neuen
Formen ein reichliches Maß eingefangen und
den Räumen eingepflanzt, was sie nur fassen
konnten. Er hat die Ergiebigkeit, die Frucht-
barkeit dieser Formensprache überzeugend be-
wiesen. Zur ideellen Bewegung kommt die
des Werkzeugs, der Entstehung. Man sieht
noch den Daumen des Modelleurs über den Ton
fahren. So ein hölzerner Beleuchtungskörper
ist eine Sammlung von Kerbschnitten, richtiger
von Beilhieben. Nirgends faule Harmonie, keine
billige Versöhnung. Aus Blitzen wachsen Blät-
ter und Bäume. Aus Bewegungsbündeln, aus
den Begegnungen der Flächen und Grate ent-
stehen neue, niegesehene Gebilde. Keilbän-
der, Blitzketten umzucken tropische Fontänen-
gewächse. Blätter wandeln sich zu Prismen,
und Kugeln zu Tieren. Die Schnitzerei lebt
auf unter den Schnitten und Brüchen. Selbst
in der geruhsamen Stickerei zittert die heftige
Bewegung bis in die einzelnen Stiche nach.

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