Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 62.1928

DOI Artikel:
Osborn, Max: Die Berliner Manet-Ausstellung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9251#0145

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
EDOUARD MANET

Pf ATIONAL-GALERIE, OSLO

»ÜBERRASCHTE NYMPHE«

DIE BERLINER MANET-AUSSTELLUNG

VON MAX OSBORN

In Berlin hat es während der abgelaufenen
Wintermonate eine sehr ernste Auseinander-
setzung zwischen den Kunsthandlungen und der
Kritik gegeben, die das Übermaß an Ausstell-
ungen fremder Kunst (nur das Übermaß, nicht
diese Ausstellungen überhaupt), den hemmungs-
losen Fanatismus des Imports ausländischer,
namentlich französischer Werke (nur die Hem-
mungslosigkeit, nicht den Import selbst) be-
kämpfte. Die Mahn- und Warnrufe vor drohen-
der „Überfremdung" des gesamten Kunstbe-
triebs konnten auf zahlreiche fragwürdige oder
vollends unnötige Veranstaltungen hinweisen,
die für eine gesunde Entwicklung des einheimi-
schen Kunstwesens tatsächlich als eine Gefahr
angesehen werden mußten — aber vor einer
Unternehmung machten die kritischen Vorwürfe
Halt: vor der Manet-Ausstellung der Galerie
Matthiesen. Denn diese Schau, mit außeror-
dentlichem Geschick und überraschendem Er-
folg zusammengetragen, erhob sich so weit über
die üblichen Darbietungen, daß sie jenseits aller

Berechtigungszweifel stand. Sie bedeutete eine
Wissens- und Genußbereicherung von hohen
Graden, die man nicht wieder vergessen wird,
der man uneingeschränkt Dank und Anerken-
nung schuldet.

Man kennt die geistreichen Anfangsverse
des Lessingschen Sinngedichts: „Wer wird nicht
einen Klopstock loben, doch wird ihn jeder
lesen? Nein!" So könnte man auch sagen: Wer
wird nicht einen Manet loben, doch wird ihn
jeder kennen — Nein! Mit den Werken des
französischen Impressionismus sind wir nicht
nur immer wieder vertraut gemacht, sondern
geradezu überfüttert worden; aber just von
dem Bannerträger, Vorläufer und Begründer
der ganzen impressionistischen Ära hörte man
bei uns im Grunde wenig oder garnichts. We-
niger jedenfalls als von allen Granden seines
Hofstaats. Sein Einfluß war ungeheuer, gar
nicht zu ermessen. In ganz Europa, in der gan-
zen Welt, auch in Deutschland. Aber eine um-
fassende Anschauung von seinen Taten ist uns

XXXI. .Tani 1U28. 1
 
Annotationen