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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

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Kletzl, Otto: Maxim Kopf - Prag
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https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0093

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MAXIM KOPF—PRAG

GEMÄLDE »STILLEBEN«

MAXIM KOPF-PRAG

Der Künstler kam 1892 in Wien zur Welt,
aber nur seine Mutter ist eine Wienerin
gewesen; sein Vater Deutschböhme. In Prag,
seinem letzten Arbeitsort, hat der Sohn alle
deutschen Schulen bis zur Akademie besucht.
Da er sich schließlich in dieser Stadt auch nieder-
gelassen hat, kann er zunächst nur als eine
Erscheinung deutscher Kunst in den Sudeten-
ländern gewertet werden , für die österreich-
isches Wesen auch heute eine kennzeichnend
wichtige Rolle spielt. Von seinen Akademie-
lehrern vermochte ihm Krattner nicht nur
gediegene Kenntnisse in den Grundlagen der
Malkunst mitzuteilen, sondern auch durch Ernst
und altertümliche Frömmigkeit auf den Schüler
zu wirken, der gereift aus dem Krieg heimge-
kommen war. Hatte Professor Thiele in ihm
die Freude an helleren, flimmernderen Farben
erweckt, so hat doch erst Brömse, der sein
Lehrer im buchstäblichen Sinne niemals ge-
wesen ist, sein Verlangen nach künstlerisch
verklärtem Ausdruck am nachhaltigsten be-
einflußt. Was Maxim Kopf in der Zeit von
1918 bis 1923 malte — zwei Jahre in Dresden
bei Gußmann haben im wesentlichen nichts mehr
geändert — spiegelt diese Einwirkung wider.
Doch erscheinen sie alle selbständig ausgewertet
und organisch in den Dienst eines eigenlebigen
Talentes gestellt.

Die erste Werk-Reihe, beginnend mit jenem
„Pilger", der dem Kunstschüler den ersten Preis
der Anstalt eintrug, bemüht sich um die Ekstase
schlechthin, also um das eigentliche Problem

des Expressionismus. In den folgenden Bildern
tritt bereits das Zuständlich-Objektive in den
Vordergrund, und es entstehen so gereifte Ar-
beiten wie die „Klage". In beiden Gruppen
aber agieren stets lange und schmale Gestalten,
zu dichten Gruppen aneinandergejagt, mit Ge-
bärden weit ausgreifender Angst; hellrotes Blut
träuft aus den Wunden Chrisli und der Heiligen.
Mit farbigen Zwischentönen verschmutzt, sodaß
sie oft strahlenden Spaltpilzen gleicht, wuchert
die Farbe durch das Bild, das meist Kampf und
Leiden, immer aber seelische Erregtheit als
Grundhaltung menschlichen Daseins darstellt
und predigt.

Von all dem wilden Wesen dieser schöpfe-
rischen Jugendlichkeit ist nur eine zarte Trauer
geblieben, die Szenen der Freude und des
Schmerzes nun gleicherweise überschleiert.
Nicht nur der Raum, auch die Körper in ihm
werden (in der zweiten Werkreihe, seit 1922)
als Werte entdeckt, die Wichtiges zu sagen haben.
In der Farbe wird an die tonigen Bilder der
ersten Zeit angeknüpft; schon aber ist alles auf-
gehellter zu jenem Licht zwischen Nacht und Tag,
dem Grau die liebste und reichste Tönung ist.

Nicht ganz waffenlos tauchte er daher 1923
in den heißen Strudel New Yorker Lebens, in
dem seine Kunst nichts, sein Können erst all-
mählich etwas galt. In den wenigen Komposi-
tionen, zu denen ihm jetzt die Zeit bleibt, klingen
die Stile der zwei ersten Reihen durcheinander.
Daß die Seereise nach den Marquesas-Inseln
zugleich eine Wallfahrt nach dem Tahiti Gau-

XXXIII. Novainber 1939. 1
 
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