PABLO GARGALLO
»BACCHANTIN« 1926
PABLO GARGALLO
In Paris gibt es gegenwärtig nur drei Bild-
hauer, die in Wahrheit daran arbeiten, die
Plastik mit dem Streben der Heutigen und mit
den neuen Ergebnissen der Malerei in Bezieh-
ung zu setzen: Henri Laurens, Jacques Lip-
chitz und Pablo Gargallo. Alle drei sind noch
jung, jeder von ihnen hat schon Bemerkens-
wertes an Leistung aufzuweisen.
Henri Laurens, aus dem Kubismus hervor-
gegangen, stand erst unter dem Einfluß von
Picasso und Braque. Seine ersten Schöpfungen
in der Art Picassos zeigten schon seinen leb-
haften Sinn für den „Körper im Raum"; daher
ihre architektonische Note. Heute hat Laurens
Fühlung gewonnen mit den großen, ewigen
Grundsätzen der Plastik, aber sichtbar atmet
in seinen Werken nach wie vor das Fragen,
Streben und Drängen einer neuen Zeit.
Nach mißglückten naturalistischen Versuchen
hat Jacques Lipchitz den ihm vorgeschriebenen
Weg gefunden, der zu einer abstrakten Form
führte. Einflüsse der Exoten; Einflüsse Picassos;
aber als Hauptantrieb immer ein Streben nach
einem neuen skulpturalen Geist, bei sorgfältigem
Studium der „Ebenen" und des vielfältigen
Spiels der Flächen. Das Lichtproblem war bei
diesen durchbrochenen Formen, in die überall
das Licht einbricht, nicht leicht zu lösen; aber
befriedigende Ergebnisse liegen schon vor.
Von Lipchitz' Arbeiten sind diejenigen von
Pablo Gargallo weitgehend verschieden, wenn
auch das Publikum beides gerne zusammenwirft.
Zur Zeit seiner Anfänge schuf Picasso mit
seinen geschickten Händen Gefüge, die aus
allerlei verschiedenen Stoffen zusammengesetzt
waren. In ihnen sprach sich jenes gewissen-
hafte und später auch für Picassos Malerei
charakteristische Streben aus, die Dinge zu zer-
legen und alle Teile ihrer Oberfläche hervor-
zukehren. Matisse hatte gezeigt, daß das soge-
nannte „Häßliche" denselben Kunstwert be-
sitzen kann wie das „Schöne". Ebenso wies
Picasso nach, daß ein Kunstwerk aus sehr un-
edlen Stoffen geschaffen werden kann, ohne
deshalb an ästhetischem Wert einzubüßen.
Diese Picasso'schen Versuche, in die künst-
lerische Überlieferung einen neuen Dingbegriff
einzuführen, erweitert durch eine Analyse der
Ding-Bestandteile und eine ganz neuartige
Nutzung des Lichtes, haben Gargallo, dessen
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»BACCHANTIN« 1926
PABLO GARGALLO
In Paris gibt es gegenwärtig nur drei Bild-
hauer, die in Wahrheit daran arbeiten, die
Plastik mit dem Streben der Heutigen und mit
den neuen Ergebnissen der Malerei in Bezieh-
ung zu setzen: Henri Laurens, Jacques Lip-
chitz und Pablo Gargallo. Alle drei sind noch
jung, jeder von ihnen hat schon Bemerkens-
wertes an Leistung aufzuweisen.
Henri Laurens, aus dem Kubismus hervor-
gegangen, stand erst unter dem Einfluß von
Picasso und Braque. Seine ersten Schöpfungen
in der Art Picassos zeigten schon seinen leb-
haften Sinn für den „Körper im Raum"; daher
ihre architektonische Note. Heute hat Laurens
Fühlung gewonnen mit den großen, ewigen
Grundsätzen der Plastik, aber sichtbar atmet
in seinen Werken nach wie vor das Fragen,
Streben und Drängen einer neuen Zeit.
Nach mißglückten naturalistischen Versuchen
hat Jacques Lipchitz den ihm vorgeschriebenen
Weg gefunden, der zu einer abstrakten Form
führte. Einflüsse der Exoten; Einflüsse Picassos;
aber als Hauptantrieb immer ein Streben nach
einem neuen skulpturalen Geist, bei sorgfältigem
Studium der „Ebenen" und des vielfältigen
Spiels der Flächen. Das Lichtproblem war bei
diesen durchbrochenen Formen, in die überall
das Licht einbricht, nicht leicht zu lösen; aber
befriedigende Ergebnisse liegen schon vor.
Von Lipchitz' Arbeiten sind diejenigen von
Pablo Gargallo weitgehend verschieden, wenn
auch das Publikum beides gerne zusammenwirft.
Zur Zeit seiner Anfänge schuf Picasso mit
seinen geschickten Händen Gefüge, die aus
allerlei verschiedenen Stoffen zusammengesetzt
waren. In ihnen sprach sich jenes gewissen-
hafte und später auch für Picassos Malerei
charakteristische Streben aus, die Dinge zu zer-
legen und alle Teile ihrer Oberfläche hervor-
zukehren. Matisse hatte gezeigt, daß das soge-
nannte „Häßliche" denselben Kunstwert be-
sitzen kann wie das „Schöne". Ebenso wies
Picasso nach, daß ein Kunstwerk aus sehr un-
edlen Stoffen geschaffen werden kann, ohne
deshalb an ästhetischem Wert einzubüßen.
Diese Picasso'schen Versuche, in die künst-
lerische Überlieferung einen neuen Dingbegriff
einzuführen, erweitert durch eine Analyse der
Ding-Bestandteile und eine ganz neuartige
Nutzung des Lichtes, haben Gargallo, dessen
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