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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

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Nemitz, Fritz: Objektive Kunstwerte
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https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0188

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Objektive Kunstwerte

Die Beziehungen aber, die Spannungsver-
hältnisse zu einem Werk oder zu einer Epoche
ändern und wandeln sich, wie mit anderen Seh-
und Gefühlsweisen Häuser, Sitten, Kleider und
Ideale sich wandeln.

Die Substanz des Wertes bleibt, die Verhal-
tungsweise des einzelnen wie die einer Zeit aber
erfährt Wandlungen. Rembrandt, der für uns
einen höchsten Wert repräsentiert, war vor 100
Jahren wenig geschätzt. Das besagt zwar nicht
viel mehr, daß man ihn damals wenig kannte,
und beweist auch nicht, daß ihn unsere Nach-
kommen verachten werden. Das Werk Rem-
brandts aber mit absoluten Werturteilen etiket-
tieren zu wollen — dagegen sträuben sich
unsere Instinkte. Die Unmöglichkeit einer ab-
soluten Wertung würde sich im übrigen prak-
tisch sehr bald herausstellen; schon die Rem-
brandt-Spezialisten würden sich über diese
Frage nicht einigen können und den Anspruch
auf objektive Wertung so ad absurdum führen.

Wie die exakten Wissenschaften keine ab-
soluten Wahrheiten mehr aufstellen, sind auch

für die Kunst absolute Methoden ergebnislos.
Sie könnten nur aus Erfahrung und Beobach-
tung konstruiert werden, aber als aus Erfahrung
gewonnene Urteile würden sie durch jede neue
Beobachtung und Erfahrung widerlegt werden.

Mit absoluten Kunstwerten würde es ähn-
lich gehen wie mit den Gottesbeweisen. Je
exakter man sein Dasein beweisen will, umso
weiter wird er sich dem inneren Bewußtsein
entziehen. — Viele Dinge im Leben, und gerade
die wichtigsten, sind nicht beweisbar und sind
doch wahr und bleibend. Ähnlich ist es auch
mit den Kunsturteilen. Wo sie mit reinen In-
stinkten gegeben werden, werden sie größere
Allgemeingültigkeit bekommen, als konstruierte,
objektiv sein wollende Werte. Die Fähigkeit
dazu wird freilich kaum häufiger sein als wesent-
liches Kunstschaffen selbst........ dr. f. n.

*

VOM SEHEN. Hunderte von Leuten können
reden, gegen einen, der denken kann.
Aber Tausende können denken, gegen einen,
der sehen kann............. john rüskin.

PROFESSOR KARL HOFER—BERLIN. »STILLEBEN«
 
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