HERBSTAUSSTELLUNG DER BERLINER SECESSION
Man soll nicht sagen, weil die besonderen
Überraschungen fehlen, es „sei nichts
los". Vielleicht fangen die Ausstellungen der
Berliner Secession in gewissem Sinne an, stabil
zu werden. Aber in einer Zeit, da die festesten
Werte ins Wanken geraten, die reichsten Samm-
ler sich Selbstmorden, ist Stabilität durchaus
eine Leistung. Sicher hat jeder der Künstler
den Druck der Zeit zu fühlen, keinem wird
etwas geschenkt. Erlebten wir nicht so und
sooft, daß die „Deutung des Zeitsinnes" nur
auf einen Niveauabstieg hinauskam? Worauf
es heute zuerst ankommt, ist, das Erworbene
zu wahren und den Glauben nicht zu verlieren.
Da diesmal Karl Hofer fehlt (es soll da irgend
etwas Gekrachtes gegeben haben, doch das ge-
hört nicht hierher) und mit ihm Namen wie
Kokoschka, George Grosz, Dix, Beckmann, so
wird das Bild einfacher und einsinniger. Man
erkennt aus diesen 160 Bildern deutlicher als
jemals sonst, durch wie relativ viel Gemein-
samkeiten die Kerntruppe der Berliner Seces-
sion verbunden ist. Jedermann kennt Namen
wie Spiro, E.R.Weiß, Röhricht, Jaeckel,
Krauskopf, Großmann usw. und verbindet
mit ihnen eine ganz bestimmte Vorstellung.
Was sie diesmal neues bringen, trägt die be-
kannten Zeichen vertrauter Handschrift und
reiht sich der Kenntnis des Betrachters ohne
Sprung an. — Übrigens gibt es doch eine
Überraschung: sie heißt diesmal Rudolf Levy.
Wir schätzen ihn alle als den gewandtesten
Importeur westlicher Werte. Die beiden Bilder,
die er diesmal zeigt, beide um die entschiedenen
Farbenpole eines ganz französischen Blau und
Rot aufgebaut, sind in der ganzen Art, wie
alles so anscheinend nonchalant und doch so
unheimlich sicher und bewußt gesetzt ist, von
einer Endgültigkeit, die in ihrer Weise kaum
mehr zu übertreffen ist. — Eine Überraschung
ist auch Frau Charlotte Berend. Sie ist an-
scheinend in eine neue Haut geschlüpft und hat
eine neue Sprache gefunden, die viel klarer
und ruhiger ist. Max Pechstein überrascht
mit zwei Bildern, die in ein kühles vibrieren-
des Grün getaucht sind: dem „ertrunkenen
Fischer" und dem „Angler im Morgengrauen".
Von den übrigen des engeren Berliner Kreises
seien in willkürlicher Auswahl, die nichts er-
schöpfen soll, noch bemerkt: der in der Farbe
XXXIII. Januar 1930. 1
Man soll nicht sagen, weil die besonderen
Überraschungen fehlen, es „sei nichts
los". Vielleicht fangen die Ausstellungen der
Berliner Secession in gewissem Sinne an, stabil
zu werden. Aber in einer Zeit, da die festesten
Werte ins Wanken geraten, die reichsten Samm-
ler sich Selbstmorden, ist Stabilität durchaus
eine Leistung. Sicher hat jeder der Künstler
den Druck der Zeit zu fühlen, keinem wird
etwas geschenkt. Erlebten wir nicht so und
sooft, daß die „Deutung des Zeitsinnes" nur
auf einen Niveauabstieg hinauskam? Worauf
es heute zuerst ankommt, ist, das Erworbene
zu wahren und den Glauben nicht zu verlieren.
Da diesmal Karl Hofer fehlt (es soll da irgend
etwas Gekrachtes gegeben haben, doch das ge-
hört nicht hierher) und mit ihm Namen wie
Kokoschka, George Grosz, Dix, Beckmann, so
wird das Bild einfacher und einsinniger. Man
erkennt aus diesen 160 Bildern deutlicher als
jemals sonst, durch wie relativ viel Gemein-
samkeiten die Kerntruppe der Berliner Seces-
sion verbunden ist. Jedermann kennt Namen
wie Spiro, E.R.Weiß, Röhricht, Jaeckel,
Krauskopf, Großmann usw. und verbindet
mit ihnen eine ganz bestimmte Vorstellung.
Was sie diesmal neues bringen, trägt die be-
kannten Zeichen vertrauter Handschrift und
reiht sich der Kenntnis des Betrachters ohne
Sprung an. — Übrigens gibt es doch eine
Überraschung: sie heißt diesmal Rudolf Levy.
Wir schätzen ihn alle als den gewandtesten
Importeur westlicher Werte. Die beiden Bilder,
die er diesmal zeigt, beide um die entschiedenen
Farbenpole eines ganz französischen Blau und
Rot aufgebaut, sind in der ganzen Art, wie
alles so anscheinend nonchalant und doch so
unheimlich sicher und bewußt gesetzt ist, von
einer Endgültigkeit, die in ihrer Weise kaum
mehr zu übertreffen ist. — Eine Überraschung
ist auch Frau Charlotte Berend. Sie ist an-
scheinend in eine neue Haut geschlüpft und hat
eine neue Sprache gefunden, die viel klarer
und ruhiger ist. Max Pechstein überrascht
mit zwei Bildern, die in ein kühles vibrieren-
des Grün getaucht sind: dem „ertrunkenen
Fischer" und dem „Angler im Morgengrauen".
Von den übrigen des engeren Berliner Kreises
seien in willkürlicher Auswahl, die nichts er-
schöpfen soll, noch bemerkt: der in der Farbe
XXXIII. Januar 1930. 1