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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

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Eulenberg, Herbert: Der Gartensaal
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https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0274

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Der Gartensaal

prof. dr. oskar strnad

»terrassen-wohnhauser«

nungen auch ein Raum immer mehr in Wegfall
gekommen ist, den zu Goethes Zeiten sich
noch einfache Bürgersleute wie sein Apotheker
in „Hermann und Dorothea" leisten konnten:
der Gartensaal! Das Biedermeiertum kannte
ihn noch und hat ihn auf seine Weise manch-
mal etwas spießig und kauzig gern mit bunten
Glasfenstern und fremdländischen Malereien
ausgestaltet. Wobei der Wandschmuck nach
pompejanischem Muster besonders geschätzt
wurde. Damals spielte der Gartensaal auch als
Schauplatz in unserer Dichtung noch eine große
Rolle. In den Romanen von Tieck und Stifter,
den Novellen von Storm und Heyse, den Ver-
sen von Geibel und Scheffel ist der Gartensaal
oftmals erwähnt und noch sehr beliebt. Dann
verflüchtigt er sich mehr und mehr. Im Leben
wie im Dichten fristet er schließlich nur noch
als „Gartenlaube", ein Name und Begriff, den
auch die in jenen Jahren gelesenste Wochen-
schrift des deutschen Volkes führte, sein be-
scheidenes künstlerisches Dasein weiter.

Heutzutage ist der Gartensaal, der ehedem
zum Wohnungsbedarf eines jeden wohlacht-
baren Bürgers gehörte, eine Seltenheit, ein
Prunkraum geworden, den sich als nicht ständig
benutzte feiertägliche Wohnlichkeit nur noch
wenige Leute leisten können und mögen. Ab
und zu liest man mit stiller Freude, daß einmal

ein Künstler wie Slevogt einen Gartensaal zur
Ausmalung in Auftrag bekommen hat. Aber
solche Bestellungen, die noch zur Zeit von Hans
von Marees oder dem Bremer Malerdichter
Fitger gang und gäbe waren, kommen wie der
Gartensaal selber immer mehr in Wegfall. Aber
ein jeder, der dazu in der Lage ist, sollte dies
Sanktuarium wieder pflegen, solch eine nicht
einmal kostspielige, heilige Halle im Hause mit
einem offenen Kamin, die dem Schönen geweiht
ist und nicht nur der gemeinen Nützlichkeit des
Tages dient. Ein Gartensaal wirkt wie ein
Stück Kirche in einem Hause. Und auf jeden,
der in ihn eintritt, übt er seine stille Weihe aus.
Die gedämpfte dunkelgrün gefärbte Beleuch-
tung, die ihm in der Regel durch die Bäume
draußen verliehen wird, ergreift schon das Ge-
müt der Kinder mit seinem Zauber, wie dies
Conrad Ferdinand Meyer einmal in Erinnerung
an seine Jugend ähnlich wie Thomas Mann in
seinen „Buddenbrocks" beschrieben hat. Und
das Alter fühlt sich in einem solchen kühlen
Gartensaal wie in eine Erzählung von Achim
von Arnim oder in ein Gedicht von Eichendorff
zurückversetzt. Da man noch nicht so geizte
mit Raum und Zeit wie heutzutage, und da
noch ein Wort bei uns in Ehren stand, das jetzt
durch das Wort „Tempo" verdrängt worden
ist: Beschaulichkeit............... h. e.


 
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