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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

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Salmon, André: Zu den Gemälden von Joseph Floch
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https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0303

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JOSEPH FLOCH—WIEN-PARIS

»SPANISCHE LANDSCHAFT«

ZU DEN GEMÄLDEN VON JOSEPH FLOCH

In seinem berühmten „Salon von 1859" trat
Baudelaire jenen naturburschenhaftenLehren
entgegen, die behaupteten, daß der Künstler
nichts weiter zu tun habe, als die Natur zu
kopieren — als sei man ihrer äußeren Wirklich-
keit so vollkommen gewiß! Die Vertreter dieser
Meinung, führte Baudelaire aus, sind arme
Schlucker, die, selbst ohne Phantasie, auch
anderen verbieten wollten, Phantasie zu haben.

Baudelaire definiert Phantasie ruhig als die
Königin aller Fähigkeiten.

Sollte die Phantasie seit dem Beginn dieses
Jahrhunderts, beim Aufgang der großen künst-
lerischen Revolution, die mit der ersten Kund-
gebung der „Fauves" einsetzte, verschwunden
sein? Man könnte es glauben angesichts jenes
Horrors vor dem „Gegenstand", der aus der
berechtigten Ablehnung der akademischen
„Anekdote" hervorging und jene negative Re-
ligion vorbereitete, die dann die drei Äpfel
Cezannes über alles stellte. Aber das wäre
eine Täuschung. Diejenigen, in denen Großes
war, besaßen auch künstlerische Phantasie.

Heute, da die akademische Gefahr der Ver-
gangenheit angehört, ist eine neue, offensicht-

liche Tendenz zum „Gegenstand" unter uns im
Vordringen. Sie ist auch den Surrealisten, die
sich dem Traum, dem Unbewußten überlassen
wollten, nicht fremd.

Ein Maler wie Floch scheint mir auf wunder-
bare Weise dem Hin und Her der Einflüsse
enthoben zu sein. Er teilt mit den Besten sei-
ner Zeit nichts als die Sorge um eine gediegene,
tiefbegründete und überzeugende Malerei. An-
deres kümmert ihn nicht. Wenn Floch uns als
ein Künstler erscheint, der am reinsten der
„Königin der Fähigkeiten" nachlebt, wenn der
„ Gegenstand" in seinem Schaffen derart ist, daß
man ihn nicht übersehen kann, so genügt das,
denke ich, vollkommen, um diese neue Gunst
der Stunde für den „Gegenstand" (oder besser:
für das „Thema") zu begründen und zu belegen.

Nachdem er sich vor der Natur erprobt hatte,
nachdem er aus ihr ein konstruktives System
gewonnen hatte, das ihn zum Wesen der Dinge
in Beziehung setzte, führte er in eine nackte,
landschaftliche Welt ein Element Menschheit
ein, das in seiner Poesie einmalig und erstmalig
war; eine Menschheit aller Zeiten und doch
außer aller Zeit. Möglich, daß Andere vor

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XXXIII. Filruar 1930. 1
 
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