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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

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Gottlieb, Aurelie: Jules Pascin
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https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0397

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JULES PASCIN

Als „Phantasieisten" bezeichneten sich in
/\ der launigen Einführung zu ihrer ersten
Ausstellung die Maler, Bildhauer, Zeichner und
Literaten, die sich, ohne offensichtliche Zu-
sammengehörigkeit, wohl also auf Grund einer
tiefempfundenen Wahlverwandtschaft zu jener
merkwürdigen Verbindung zusammenschlössen,
die sich „Spinne" nannte. Sie wollten dadurch
gesagt haben, daß sie unabhängig aus sich heraus
leben und keiner Macht verfallen sind, da sie
sich durch ihre Phantasie von jeder Hörigkeit
innerlich befreien und jedes Vorkommnisses
Herr zu werden verstehen. Daß sie den Witz
hoch ehren und das Pathos verabscheuen, ver-
steht sich von selbst. Denn jener kann eben-
sosehr in jeder Lage von der Wirklichkeit er-
lösen, wie dieses ihr Gewicht steigert, indem
es ihr eine übergroße Bedeutsamkeit beimißt.

Pascin, der Weltenbummler, bei dem die
Frage nach Heimat völlig deplaciert erscheint,
weil er überall zu Hause und überall immer am
Sprunge ist, wegzufahren, der achtlos Reich-
tümer verschwendet und jeden Besitz flieht, da
er weiß, daß Besitzen Besessensein bedeutet,
der mit dem bunten Volk obskurer Hafen-
spelunken ebenso ungezwungen und gewiß
lieber verkehrt, als mit Menschen der guten
Gesellschaft, weil er sie weniger verbildet findet,
Pascin, der Künstler, der schafft, aber nicht
„arbeitet", der Unheimliches kann, ohne es
je im Schweiße seines Angesichtes gelernt zu
haben, der sich um die Entwicklung und die
Probleme der Kunst in seiner Zeit einen Pfiffer-
ling kümmert, ja, dessen eigene Kunst gar keine
irgendwie geartete Entwicklung aufweist, wie
wenn er selbst den primitivsten Gesetzmäßig-

XXXIII. Marz 1930. i
 
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