Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

DOI article:
Barchan, Paul: Paul Cornet
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0413

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
PAUL CORNET

Ein schwerer, ungeschlachter Geselle. Gesicht
gerötet, von einem schwachen Vollbart um-
waldet. Man denkt unwillkürlich an einen simp-
len, brummigen Landsknecht, der in der schwach
erleuchteten, mürrischen Schenkstube weiter-
zecht. Und man „hat das Gefühl", daß so einer
sich nackt vorkommt, wenn er nicht gepanzert
ist und nicht ein mordsschweres Schwert in
Händen hält. Kein Volk der Welt hängt so voll
kindlicher Romantik an der alten Rilterherrlich-
keit wie die Franzosen. Charakteristisch dafür
sind all ihre Plakate, Reklamezeichnungen,
Schilder, Filmzeichen — immer wieder mächtig
gepanzerte Männer und sonstiges Zubehör. Geht
man durch den alljährlichen „Salon des Humo-
ristes", begreift mans garnicht, wie dieses mittel-
alterliche Milieu den zeitgenössischen Zeichnern
des „Petit Parisien" und „Rire" so viel Stoff noch
zu liefern vermag. Und gar die französische
Filmproduktion, diese Massenproduktion vor
einigen Jahren, die für daslnland arbeitete. Zahl-

los sind solche historischen Kostümfilme, und
in jeder dieser gedrehten „Opern" wird endlos
gefochten. Schwerter undDegen sind dasHaupt-
requisit. (Just wie in amerikanischen Filmen man
sich gegenseitig ergiebig die Fressen vollhaut,
oder auf dem japanischen herkömmlichen Thea-
ter man einander umständlich ersticht, um auf-
zustehen und sich nochmals zu erstechen.) Die
allgemeine Freude ist hüben und drüben die
gleiche, nur die Franzosen haben den Stahltraum
—■ den Traum vom mittelalterlichen Harnisch —
noch nicht ausgeträumt.

Kommt Einer — und es kommen ja alle —
nach Paris, um sich mit Amüsement einzudecken,
um dieser Fremdenindustrie teilhaftig zuwerden,
oder kommt man von wegen der modernen
Malerei, noch immer die französische genannt,
so kehrt man wieder heim in die geordneten
Verhältnisse, ohne nur gemerkt zu haben,
wie eingesponnen in ihren französischen Kon-
servatismus die Franzosen noch verharren.
 
Annotationen