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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

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Grohmann, Will: Lyonel Feininger
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https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0421

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lyonel feininger

»regenklarheit«

LYONEL FEININGER

Feiningers letzte Bilder sind das Resultat
einer 25 jährigen Arbeit. Deren Verlauf mit
wenigen Worten zu skizzieren, ist unmöglich.
Nur soviel, daß seine Sonderbegabung sich
am landschaftlichen, speziell architektonischen
Gegenstand entwickelte und über viele Zwi-
schenstufen zur Schöpfung kristallinisch-klarer
Landschafts-und Architekturbilder führte, deren
Aulbau und Sinn nicht viel mehr vom Gegen-
ständlichen bedingt ist als bei den rein tekto-
nischen Malern. Durch eine große Zahl von
Vorstudien hindurch klärt Feininger den je-
weiligen Vorwurf bis zur Erkenntnis und Dar-
stellung des Wesentlichen und bis zum Gleich-
gewicht dieses Wesentlichen mit dem jeweiligen
Zustand seines schöpferischen Impetus. Ein
Bild wie „Gelmeroda" taucht erstmalig in einer
Studie 1906 auf und geht, ganz abgesehen von
den Zeichnungen, durch zwölf Fassungen. Keine
gleicht der anderen, weil jede zum Thema nicht
anders als eine Fuge zum Fugenthema steht.
Im Anfang führt eine Straße mit drei Giebel-
häusern rechts und einem Baum links auf die
seitlich gelagerte Kirche zu, am Schluß steht ein
doppelquadratischer kristallinischer Körper vor
uns, der die Substanz des baulichen Körpers,
seine Anordnung im Raum und seine Bewegung
im Licht in eine eigengesetzliche Bildfläche auf-
geteilt hat. Selbst der Himmel ist einbezogen
in das Kräftespiel der vor-, zurück- und auf-
brechenden Flächen, deren Anordnung weder

den perspektivischen noch den mechanischen
Gesetzen folgt, sondern denen der Spannung
zwischen Objekt und Subjekt. Feiningers Bilder
sind keine Visionen, aber auf Grund der Ver-
wandlung überlieferter Anschauungskategorien
ist in ihnen ein zweites Gesicht, ein Jenseits
der Dinge.

In den letzten Jahren enthalten Feiningers
Zeichnungen vor der Natur bereits künstle-
rische Vorwegnahmen, die den Weg von der
ersten zur endgültigen Fassung abkürzen. Die
Folge ist aber nicht die bloße Abkürzung des
Wegs, sondern ein Steigern der eigenen An-
sprüche. Das Wunder dieser silbrigen Natur-
verwandlungen mit ihren seltenen Oxidations-
farben, der selbständigen Perspektive und Licht-
und Schattenverteilung ist bis zur Reinheit ab-
soluter Musik vervollkommnet.

Über sein Leben dies: Feininger ist 1871 in
New-York geboren, kam mit sechzehn Jahren
nach Hamburg, ein Jahr später nach Berlin.
Studierte Musik, der er noch heute verbunden
ist, zeichnete anfangs für Zeitschriften Karika-
turen und malte 36 jährig sein erstes Bild. Seit
1919 ist er am Bauhaus. Die Anregung zu den
meisten seiner Architekturbildern fand Fei-
ninger in und um Weimar, wo er bis 1925
lebte, in Norddeutschland (Lüneburg) und an
der Ostsee, wo er seine Sommerferien ver-
bringt und wo auch die größere Anzahl seiner
Marinen entstanden ist......will grohmann.
 
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