5. Sergei
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Grunde bereits überlebt. Denn inzwischen waren die von Härleman
berufenen französischen Bildhauer in Wirksamkeit getreten, zuerst
Bouchardon, dann Larcheveque. Und bei Larcheveque ging seit
1756 Sergei in die Lehre.
Johann Tobias Sergei (1740—1819) war in Stockholm geboren,
jedoch Sohn deutscher, aus Thüringen eingewanderter Eltern. Sein
ungewöhnliches Talent wurde frühzeitig erkannt und bereitwillig
gefördert. 1758 nahm ihn sein Meister auf eine Reise nach Paris
mit, aber als Sergei das große Reisestipendium der Akademie er-
rungen hatte, ging er 1767 nach Rom. Dies wurde für seine ganze
Entwicklung entscheidend. Durch den Verkehr mit den Werken
antiker Bildnerei vollzog sich in seinen künstlerischen Anschauungen
eine Umwälzung. Die Flut des Klassizismus war im Steigen, Winckel-
mann und Mengs hatten bereits in Theorie und Malerei seine Ideen
formuliert, aber noch hatte sich kein Künstler gefunden, der mit
ihrer Anwendung auf die Skulptur Ernst gemacht hätte. Sergei
war der erste europäische Bildhauer, der diesen Versuch unternahm.
Aber dabei traten sein Instinkt und seine Intelligenz in Widerstreit.
Eine breite, temperamentvolle, von Lebens- und Genußkraft
strotzende Natur, neigte er von Hause aus der malerischen Form-
bewegung und Formauflockerung, dem dramatischen und selbst
theatralischen Pathos des Barocks und dem Sinnenreize des Rokokos
zu, während seine an der Antike geschulte künstlerische Intelligenz
ihn auf Mäßigung der Form, auf ihre geschlossene Entfaltung in
der Vorderansicht und Einspannung in einen ruhig und adlig
fließenden Kontur, kurz auf Winckelmanns „edle Einfalt und stille
Größe“ hinführte. Diese innere Problematik seines Schaffens gibt
seinen Werken Spannung und Charakter, aber sie hat ihn auch an
der vollen und freien Entfaltung seines reichen Talentes gehindert.
Seine Blütezeit bilden die römischen Jahre, deren Schöpfungen als
Gipfelwerke jenes Frühklassizismus anzusehen sind, in dem der
Stilwille des Rokokos und der des Klassizismus sich in glücklicher
Befruchtung begegnen. Mit seinem frisch-anmutigen Faun von 1770
hat er sich sogleich einen, man darf wohl sagen, europäischen Ruf
erworben; im Diomedes hat er den Typus männlichen Heldentums
mit Erfolg der Antike angenähert, in der sehr reif komponierten
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Grunde bereits überlebt. Denn inzwischen waren die von Härleman
berufenen französischen Bildhauer in Wirksamkeit getreten, zuerst
Bouchardon, dann Larcheveque. Und bei Larcheveque ging seit
1756 Sergei in die Lehre.
Johann Tobias Sergei (1740—1819) war in Stockholm geboren,
jedoch Sohn deutscher, aus Thüringen eingewanderter Eltern. Sein
ungewöhnliches Talent wurde frühzeitig erkannt und bereitwillig
gefördert. 1758 nahm ihn sein Meister auf eine Reise nach Paris
mit, aber als Sergei das große Reisestipendium der Akademie er-
rungen hatte, ging er 1767 nach Rom. Dies wurde für seine ganze
Entwicklung entscheidend. Durch den Verkehr mit den Werken
antiker Bildnerei vollzog sich in seinen künstlerischen Anschauungen
eine Umwälzung. Die Flut des Klassizismus war im Steigen, Winckel-
mann und Mengs hatten bereits in Theorie und Malerei seine Ideen
formuliert, aber noch hatte sich kein Künstler gefunden, der mit
ihrer Anwendung auf die Skulptur Ernst gemacht hätte. Sergei
war der erste europäische Bildhauer, der diesen Versuch unternahm.
Aber dabei traten sein Instinkt und seine Intelligenz in Widerstreit.
Eine breite, temperamentvolle, von Lebens- und Genußkraft
strotzende Natur, neigte er von Hause aus der malerischen Form-
bewegung und Formauflockerung, dem dramatischen und selbst
theatralischen Pathos des Barocks und dem Sinnenreize des Rokokos
zu, während seine an der Antike geschulte künstlerische Intelligenz
ihn auf Mäßigung der Form, auf ihre geschlossene Entfaltung in
der Vorderansicht und Einspannung in einen ruhig und adlig
fließenden Kontur, kurz auf Winckelmanns „edle Einfalt und stille
Größe“ hinführte. Diese innere Problematik seines Schaffens gibt
seinen Werken Spannung und Charakter, aber sie hat ihn auch an
der vollen und freien Entfaltung seines reichen Talentes gehindert.
Seine Blütezeit bilden die römischen Jahre, deren Schöpfungen als
Gipfelwerke jenes Frühklassizismus anzusehen sind, in dem der
Stilwille des Rokokos und der des Klassizismus sich in glücklicher
Befruchtung begegnen. Mit seinem frisch-anmutigen Faun von 1770
hat er sich sogleich einen, man darf wohl sagen, europäischen Ruf
erworben; im Diomedes hat er den Typus männlichen Heldentums
mit Erfolg der Antike angenähert, in der sehr reif komponierten