9. Die Skandinaven in Düsseldorf
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Auerbach als Gotthelf. In Hunderten von Gemälden hat er nor-
wegisches Bauernleben an Alltag und Festen, beim Hochzeitszuge
und Totenmahle dargestellt, oft als Idylle, dann wieder — beson-
ders in späterer Zeit — in dramatischer Tonart, wie in der Ver-
sammlung der Haugianer (einer Sekte von „Erweckten“) und den
„Fanatikern“. Seine Bilder haben eine ernste, zuweilen religiöse
Haltung; die Auffassung ist nach Düsseldorfer Art gemütvoll er-
zählend; die Charakteristik geht über eine idealisierende Typik nicht
weit hinaus; die Farbe bleibt trotz vorübergehender belgischer
Beeinflussung ängstlich und trocken. Aber Tidemand hat doch
zuerst das norwegische Volkstum in seinen Lebensformen sichtbar
gemacht und damit eine mächtige Anregung gegeben; es ist be-
merkenswert, daß seine Bilder nach des Dichters Bekenntnis auf die
Entstehung von Björnsons Bauernnovellen von Einfluß gewesen sind.
Ein weit geschmeidigeres und entwicklungsfähigeres Talent besaß
Hans Gude (1825—1903), der in Düsseldorf bei Schirmer in die
Lehre ging und von Andreas Achenbach ganz für die Landschaft
gewonnen wurde. Er wurde Dahls Nachfolger in der künstlerischen
Erschließung der norwegischen Natur, die auch für ihn der Jung-
brunnen wurde, aus dem er Kraft und Anregung schöpfte. Eine
liebenswürdige, harmonisch ausgeglichene Persönlichkeit voller
Schönheitssinn ging er nicht wie Dahl dem Charaktervollen und
Elementaren in der Landschaft nach, sondern schilderte sie viel-
mehr in feiner poetischer Verklärung. Er baute seine Bilder mit
lyrischem Schwünge und in melodischer Linienführung; gern
stimmte er sie auf einen Klang von heiterer Milde; er nahm die
norwegische Landschaft meist in einer wärmeren Tonart als ihrer
Natur entspricht. Aber innerhalb dieser Grenzen hat er unermüd-
lich an sich arbeitend seinen Stil an malerischer Beweglichkeit und
Ausdruckskraft weit über das Düsseldorfer Durchschnittsniveau zu
steigern verstanden. In seiner früheren Periode bevorzugte er
Hochgebirgsmotive, die er strahlend frisch, aber hart in der Farbe
gab; nach einem mehrjährigen Aufenthalte in Wales (1862—64),
wo er sich in intensives Naturstudium vertiefte und die Bekannt-
schaft der englischen Malerei machte, ging er mehr und mehr zu
einer flüssigen, geschmackvoll harmonisierten Tonmalerei über. Den
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Auerbach als Gotthelf. In Hunderten von Gemälden hat er nor-
wegisches Bauernleben an Alltag und Festen, beim Hochzeitszuge
und Totenmahle dargestellt, oft als Idylle, dann wieder — beson-
ders in späterer Zeit — in dramatischer Tonart, wie in der Ver-
sammlung der Haugianer (einer Sekte von „Erweckten“) und den
„Fanatikern“. Seine Bilder haben eine ernste, zuweilen religiöse
Haltung; die Auffassung ist nach Düsseldorfer Art gemütvoll er-
zählend; die Charakteristik geht über eine idealisierende Typik nicht
weit hinaus; die Farbe bleibt trotz vorübergehender belgischer
Beeinflussung ängstlich und trocken. Aber Tidemand hat doch
zuerst das norwegische Volkstum in seinen Lebensformen sichtbar
gemacht und damit eine mächtige Anregung gegeben; es ist be-
merkenswert, daß seine Bilder nach des Dichters Bekenntnis auf die
Entstehung von Björnsons Bauernnovellen von Einfluß gewesen sind.
Ein weit geschmeidigeres und entwicklungsfähigeres Talent besaß
Hans Gude (1825—1903), der in Düsseldorf bei Schirmer in die
Lehre ging und von Andreas Achenbach ganz für die Landschaft
gewonnen wurde. Er wurde Dahls Nachfolger in der künstlerischen
Erschließung der norwegischen Natur, die auch für ihn der Jung-
brunnen wurde, aus dem er Kraft und Anregung schöpfte. Eine
liebenswürdige, harmonisch ausgeglichene Persönlichkeit voller
Schönheitssinn ging er nicht wie Dahl dem Charaktervollen und
Elementaren in der Landschaft nach, sondern schilderte sie viel-
mehr in feiner poetischer Verklärung. Er baute seine Bilder mit
lyrischem Schwünge und in melodischer Linienführung; gern
stimmte er sie auf einen Klang von heiterer Milde; er nahm die
norwegische Landschaft meist in einer wärmeren Tonart als ihrer
Natur entspricht. Aber innerhalb dieser Grenzen hat er unermüd-
lich an sich arbeitend seinen Stil an malerischer Beweglichkeit und
Ausdruckskraft weit über das Düsseldorfer Durchschnittsniveau zu
steigern verstanden. In seiner früheren Periode bevorzugte er
Hochgebirgsmotive, die er strahlend frisch, aber hart in der Farbe
gab; nach einem mehrjährigen Aufenthalte in Wales (1862—64),
wo er sich in intensives Naturstudium vertiefte und die Bekannt-
schaft der englischen Malerei machte, ging er mehr und mehr zu
einer flüssigen, geschmackvoll harmonisierten Tonmalerei über. Den
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