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11. Durchbruch und Neuromantik in Norwegen

nend, daß der abseits der Akademie wirkende Leibi in diesem
Kreise Würdigung und Anschluß fand, und überhaupt standen die
Norweger der Überlieferung und der Schullehre wohl unbelasteter,
freier gegenüber als die Mehrzahl ihrer deutschen Kameraden. Was
sie instinktiv suchten, das war ein gerader Weg zur Natur, und gegen
die altmeisterlich abgestimmte Münchener Atelierkultur begann
bald ein Mißtrauen in ihnen rege zu werden. Aber die Münchener
Lehrzeit brachte der norwegischen Malerei den Vorteil, daß sie
späterhin den Pariser Einflüssen besser vorbereitet und daher mit
stärkerer Widerstandskraft gegenübertrat, als die Schweden, und
es verdient übrigens bemerkt zu werden, daß ein Häuptling wie
Eilif Peterssen, ein Talent vom Range Theodor Kitteisens und
mancher andere die Wendung zur französischen Schule überhaupt
nicht mitgemacht haben.
Diese Wendung vollzog sich um und seit 1880. Als Vorposten
war bereits 1874 Fritz Thaulow unmittelbar von Karlsruhe nach
Paris gegangen; das Signal zur allgemeinen Auswanderung der
Norweger von München nach Paris aber gab die Münchener Aus-
stellung von 1879, die ein großer Erfolg der französischen Malerei
war. In Paris traf die norwegische Kunst wiederum mit der schwe-
dischen zusammen, sie lenkte ins gleiche Fahrwasser ein und ging
beim Naturalismus in die Schule. Man darf indes behaupten, daß
die Norweger ihn innerlicher erfaßt und verarbeitet haben als die
Schweden. Denn für diese war er doch nur das Durchgangsstadium
ihrer Pariser Lehrzeit; als aber die schwedische Malerei daheim
Wurzel geschlagen hatte, so trieb diese alsbald neue künstlerische
Anschauungsformen. Aber bei den Norwegern sprach der Naturalis-
mus einen künstlerischen Urinstinkt an, der das ganze Jahrhundert
hindurch nach Freisetzung gerungen hatte. Wenn Dahl, wenn der
junge Gude die norwegische Landschaft schilderten, so waren sie
für ihre Zeit Naturalisten gewesen, und an diese Tradition knüpften
nun die Pariser Norweger an, indem sie alsbald mit planmäßiger
Entschlossenheit daran gingen, den Naturalismus in den Dienst der
Darstellung der heimatlichen Natur zu stellen. Erst durch die
Naturalisten ist Norwegens Landschaft und Volksleben in ganzer
Breite aufgeschlossen worden, und indem so Naturalismus und natio-
 
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