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11. Durchbruch und Neuromantik in Norwegen
wird zum natürlichen Erlebnisse, behagliche Abenteuerlust und
unerschütterlicher Humor geben die durchgehende Grundstimmung.
Das Volk selbst scheint sich seine Märchen in diesen Zeichnungen
zu erzählen, in denen der Naturalismus sein nationalstes Werk
geschaffen hat.
Neben Werenskiold steht Theodor Kitteisen (1854—1913), der
auf seine Veranlassung zur Illustration der Märchensammlung her-
angezogen wurde. In München ausgebildet, hat er sich auch später
vom Einflüsse der französischen Schule ferngehalten; sein Zeichen-
stil verleugnet die Münchener Überlieferung nicht, oft erinnert er
an Oberländer. Kitteisen ist in seiner Auffassung phantastischer
und dramatischer als Werenskiold, sein Humor ist grotesker; zu-
weilen besitzen seine Zeichnungen einen hinreißenden Schwung und
einen großen Zug, zuweilen sind sie von einem feinen Hauche träu-
mender Romantik erfüllt. Auch in einer Reihe anderer Arbeiten
hat dieser Künstler, der eine echte Dichternatur war und sich später
in die Einsamkeit einer Lofoteninsel zurückgezogen hat, als einer
der vorzüglichsten und geistvollsten Zeichner Norwegens erwiesen.
Unter der Führung von Thaulow, Krohg und Werenskiold bil-
dete sich nun die kompakte Phalanx des norwegischen Naturalis-
mus. Freiluftmalerei galt als Pflicht- und Ehrensache; je ein-
facher Ausschnitt und Staffage an Mensch oder Vieh, um so schul-
gerechter waren sie; eine Spezialisierung der Maler auf gewisse
Motivenkreise wurde auch hier die Regel. Der Bauernsohn Christian
Skredsvig (1852—1924) arbeitete sich nur langsam aus der Grez-
Malerei heraus, versuchte sich gelegentlich nach Uhdes oder Berands
Art daran, Jesus unter den norwegischen Bauern naturalistisch dar-
zustellen, faßte aber erst festen Boden, als er das heimatliche Egge-
dal als Schauplatz seiner Bilder wählte. Jakob Glöersen (1852 bis
1912) tat sich als Schilderer des verschneiten Nadelwaldes hervor.
Kitty Kielland (1843—1914), die Schwester des Dichters, fand in
Jäderens weitgespannter Hügel- und Moorlandschaft ihr Vorzugs-
gebiet. Harriet Backer (geb. 1845) entwickelte sich in ihren Innen-
bildern aus der Atelier- und Tonmalerei zu einer reichen klingenden
Farbigkeit und wurde die klassische Malerin der alten norwegischen
Bauernkirchen. Das jüngere Geschlecht fand dann den Naturalis-
11. Durchbruch und Neuromantik in Norwegen
wird zum natürlichen Erlebnisse, behagliche Abenteuerlust und
unerschütterlicher Humor geben die durchgehende Grundstimmung.
Das Volk selbst scheint sich seine Märchen in diesen Zeichnungen
zu erzählen, in denen der Naturalismus sein nationalstes Werk
geschaffen hat.
Neben Werenskiold steht Theodor Kitteisen (1854—1913), der
auf seine Veranlassung zur Illustration der Märchensammlung her-
angezogen wurde. In München ausgebildet, hat er sich auch später
vom Einflüsse der französischen Schule ferngehalten; sein Zeichen-
stil verleugnet die Münchener Überlieferung nicht, oft erinnert er
an Oberländer. Kitteisen ist in seiner Auffassung phantastischer
und dramatischer als Werenskiold, sein Humor ist grotesker; zu-
weilen besitzen seine Zeichnungen einen hinreißenden Schwung und
einen großen Zug, zuweilen sind sie von einem feinen Hauche träu-
mender Romantik erfüllt. Auch in einer Reihe anderer Arbeiten
hat dieser Künstler, der eine echte Dichternatur war und sich später
in die Einsamkeit einer Lofoteninsel zurückgezogen hat, als einer
der vorzüglichsten und geistvollsten Zeichner Norwegens erwiesen.
Unter der Führung von Thaulow, Krohg und Werenskiold bil-
dete sich nun die kompakte Phalanx des norwegischen Naturalis-
mus. Freiluftmalerei galt als Pflicht- und Ehrensache; je ein-
facher Ausschnitt und Staffage an Mensch oder Vieh, um so schul-
gerechter waren sie; eine Spezialisierung der Maler auf gewisse
Motivenkreise wurde auch hier die Regel. Der Bauernsohn Christian
Skredsvig (1852—1924) arbeitete sich nur langsam aus der Grez-
Malerei heraus, versuchte sich gelegentlich nach Uhdes oder Berands
Art daran, Jesus unter den norwegischen Bauern naturalistisch dar-
zustellen, faßte aber erst festen Boden, als er das heimatliche Egge-
dal als Schauplatz seiner Bilder wählte. Jakob Glöersen (1852 bis
1912) tat sich als Schilderer des verschneiten Nadelwaldes hervor.
Kitty Kielland (1843—1914), die Schwester des Dichters, fand in
Jäderens weitgespannter Hügel- und Moorlandschaft ihr Vorzugs-
gebiet. Harriet Backer (geb. 1845) entwickelte sich in ihren Innen-
bildern aus der Atelier- und Tonmalerei zu einer reichen klingenden
Farbigkeit und wurde die klassische Malerin der alten norwegischen
Bauernkirchen. Das jüngere Geschlecht fand dann den Naturalis-