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11. Durchbruch und Neuromantik in Norwegen 83

der dekorativen Kunst in Norwegen. Indem aber die Jüngeren
Munthes mächtigen Anstoß aufnahmen, stießen sie auf Schwierig-
keiten. Denn seine Kunst ist eine persönliche Kunst, schwerlich
aber, wie man in der ersten Begeisterung hoffen zu dürfen meinte,
zur Grundlage einer nationalen Stilbildung geeignet. Seine Füllung
der Fläche, immer phantasievoll, oft geistreich, ist dennoch nicht
durchaus stilsicher und wird leicht zu einer Überfüllung, die die
Fläche verunklärt und zerreißt, und in der Übernahme altgeschicht-
licher Formelemente und Motive lag die Gefahr eines zeitfremden
und manierierten Archaismus. Aus Munthes Werk hat die neuere
dekorative Kunst Norwegens reiche Anregung geschöpft, aber sie
sah sich genötigt, ihre formale Basis in modernem Sinne zu erweitern
und eine strengere Architektonik der Formbehandlung anzustreben,
und so befindet sich das norwegische Kunsthandwerk gegenwärtig
im ganzen noch in einem Zustande des Suchens und Schwankens.
Für die Orientierung der in den neunziger Jahren neu einrücken-
den Malergeneration ist es bezeichnend, daß sie die Verbindung
mit Dänemark wieder aufnahm, die selbst während der Düssel-
dorfer Zeit nicht ganz ins Stocken geraten und später durch den
Eintritt Thaulows und Krohgs in die Skagener Malerkolonie auf-
rechterhalten worden war. Sie fand dort eine gleichfalls modern
eingestellte, gleichfalls aus nordischem Geiste entsprungene Kunst,
die sich doch feiner abgetönter und innerlich reicherer Wirkungen
fähig zeigte und die Kunst der Komposition ernster nahm als der
norwegische Naturalismus. Wenn sich die Norweger in Kopenhagen
mit Vorliebe gerade den trefflichen Christian Zahrtmann als Lehrer
aussuchten, der durch seine barocke Kraft aus der dänischen Linie
ausspringt, so war es wohl vor allem sein unerschrockener Farben-
sinn und seine seltene pädagogische Fähigkeit, die sie zu ihm zogen.
Durch Zahrtmann, der seine Schüler alljährlich nach dem Süden
zu führen pflegte, nahm die jüngere norwegische Malerei die Ver-
bindung mit Italien wieder auf, die Eilif Peterssen und Hans Heyer-
dahl eingeleitet hatten; Jünglingsakte von Thorvald Erichsen und
Oluf Wold Thorne zeigen ein Bestreben nach monumentaler Auf-
fassung der menschlichen Gestalt, an dem der Einfluß romanischen
Formgefühls nicht unbeteiligt sein dürfte.

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