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13. Von der jüngsten schwedischen und norwegischen Malerei 93

der Ausgleich zwischen Fläche und Räumlichkeit, der Aufbau des
Bildes aus seinen Formelementen. In Schweden vertritt die Gruppe
der Stockholmer eine artistisch gerichtete Malerei, die nach Stili-
sierung strebt. Leander Engstrom (geb. 1886) ist am persönlichsten
in seinen Landschaften aus Norrland und Lappland, in denen
manche Züge dieser hochnordischen Natur originell und feinfühlig
herausgeholt sind; sie sind kulissenhaft aufgebaut, die Räumlich-
keit wird gern durch auseinanderfahrende Bewegungsachsen ver-
unklärt, ohne daß ein innerer Zwang dazu erkennbar würde. Einar
John malt kokett abgestimmte, flächig gehaltene Landschaften,
Bildnisse, Stilleben. Isaac Grünewald (geb. 1889) ist dem Matisse-
stile am treuesten geblieben; er weiß seine Bildnisse geschickt in
den Rahmen zu setzen, aber sie sind geistig flach, und die Wirkung
geht über das Dekorative kaum hinaus. In Nils Dardels Bildern
erkennt man den späten Josephson wieder; schlingpflanzenartig
bedeckt er die Flächen mit Arabesken von menschlichen Gestalten
und landschaftlichen Formen ;Wirklichkeit und Vision verschmelzen in
beunruhigenden, doch nicht immer überzeugenden Phantasmagorien.
Die Gotenburger Gruppe ist naturnäher. Ihr geschlossenstes
Talent ist Birger Simonsson (geb. 1883). Seine Landschaften und
Bildnisse sind von einer frischen, ja zuweilen geradezu strahlenden
Gesundheit und Heiterkeit, unbeschwert, summarisch, farbenfroh,
klar in Aufbau und Gliederung; der spätere Munch hat auf ihn
gewirkt. Der frühverstorbene Gösta Sandeis (1887—1919) war ein
romantisches Temperament. Ein Wanderer schreitet seine dunkle
Straße, ein Reiter stürmt an einem gespenstisch drohenden Kreuze
vorüber, einMann zieht eine Frauenleiche aus den Wellen, Gestalten
lehnen in dumpfer Stille am Brückengeländer. Die Formen sind
schwer und erregt, die ausdrucksvolle Farbe ist von dunklem Klange,
immer ist die Erscheinung in eine traumhafte Ferne zurückgeschoben.
Die junge norwegische Malerei weiß nichts von Munchscher Pro-
blematik. Nur etwa in Ludwig Karstens (geb. 1876) leidenschaft-
lichem Kolorite lebt ein Tropfen vom Blute Munchs. Seine Kopie
nach Ribeiras Grablegung ist vielmehr eine Neuschöpfung, die den
ganzen Bildkörper mit vibrierender Farbe durchströmt und so die
düstere Tragik des Vorganges aufwühlt. „Die Schwindsüchtige“
 
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