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Engelberg, Meinrad von
Renovatio Ecclesiae: die "Barockisierung" mittelalterlicher Kirchen — Petersberg: Imhof, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.62514#0220
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III. Renovationes süddeutscher Domkirchen - Strukturanalyse einer Denkmälergruppe

6 Möseneder 1995, S. 63-78 schildert die
schwierige Finanzierung beim Wiederauf-
baus des 1663 abgebrannten Passauer Do-
mes.
7 Forschungsüberblick zum „Personennetz-
werk der Reichskirche" bei Maurer 1999, S.
85ff.
8 Siehe die Übersicht gedruckter Wahlkapi-
tulationen bei Hüttl 1974, S. 21.
9 Bamberg, Wahlkapitulation des Fürstbi-
schofs Lothar Franz von Schönborn 1693,
hier zit. nach Antz 1997, S. 21.
10 Regensburg, Walkapitulation, ed. Schue-
graf 1846-49, Bd. I., S. 202, Anm. 206 hier
zit. nach Loers 1976, S. 239.
11 Antz 1997, S. 21.
12 Vergl. hierzu Liebeherri975, bes. S.
376-390.
13 Hartmann 1979 bietet hierzu eine stati-
stische Auswertung unter Auflistung der
wichtigsten Familien.
14 5 von 11 Freisinger Bischöfen waren im be-
trachteten Zeitraum Wittelsbacher. Siehe
Götz 1992, S. 30, nach Hüttl 1974, S. 22f.
15 Braun 1991, S. 63; Hartmann 1979, S. 99,
125, Blisch 1999.
16 Braun 1991, S. 49f: In Eichstätt durften
nicht mehr als drei Verwandte (bis zum
vierten Grad) gleichzeitig Kapitulare sein.
17 Aretin 1986, S. 35 und 41, nach Carl von
Moser 1787.
18 Antz 1997, S. 18-25.
19 1646 ließ das Konstanzer Domkapitel „[...]
da ain thumbcapitel zue Würzburg vorha-
bens, den chor ihrer thumbkhirchen in et-
wa zu reformieren und neben anderem des
hiesigen newen schönen eisnen getters und
altarain visirhetten [...]", ein Aufmaß an-
fertigen und nach Würzburg übersenden.
Zit. nach Zinsmaier 1957, S. 52.
20 Braunfels 1980 II, S. 160-168. Lippmann
1999 passim, bes. Kap. 1-3, S. 11-131.
21 Siehe Kat. Wolf Dietrich 1987, Lippmann
1999, S. 56-82.
22 Lippmann 1999, S. 99-115, bes. S. 101.
Zusammenfassend Kat. Wolfdietrich 1987,
S. 195-224, bes. S. 198ff, 205f.
23 Lippmann 1999, S. 101 ff.

legien und Rechte konnte außerhalb der ei-
genen Lande zu außenpolitischen Verwick-
lungen führen, weil die geistlichen Unter-
tanen des einen zugleich weltliche Unter-
tanen des anderen Herrschers waren und
diese oft geschickt gegeneinander auszu-
spielen wußten6.
Fürstbistümer waren Wahlmonarchien, wo-
bei die Domkapitel als Wahlgremien fun-
gierten7. Vor jeder Neuwahl wurde die po-
litische Bewegungsfreiheit des Bischofs in
einer sogenannten Wahlkapitulation8 ein-
geengt, die zum Teil strenge finanzielle
Auflagen, Vorauszahlungen an die Kapitu-
lare oder auch pauschale Auflagen wie die-
jenige, „[...] keine neuen Schlösser bauen
oder die eingefallenen kostbarlich reparie-
ren [zu] lassen“5 oder umgekehrt „[...] das
ansehenliche Domgebäude stets bei Würden
zu halten“10, umfassen konnten. Gelegent-
lich verpflichtete sie den Kandidaten, alle in
der Sedisvakanz vom Kapitel getroffenen
Entscheidungen pauschal anzuerkennen.
Rom versuchte, das Kapitulationswesen
nachhaltig einzudämmen11, blieb aber de
facto erfolglos, da die kritischen Forderun-
gen der Kapitulare daraufhin nur noch ge-
heim vorgelegt wurden. Es hing zuletzt von
der Stärke des gewählten Bischofs ab, ob er
in der Lage war, diese Fesseln während sei-
ner Regentschaft allmählich abzustreifen12.
Deshalb waren die Domkapitel der rhei-
nisch-fränkischen Kreise stets daran inter-
essiert, Nachfolger aus den eigenen Reihen
zu wählen13 und übermächtige Kandidaten
oder Hausmachtbildungen wie die gerade-
zu dynastische Sukzession der Wittelsba-
cher auf dem Kölner Kurstuhl zu verhin-
dern14. Die Bischöfe von Mainz, Trier,
Würzburg, Worms, Speyer, Eichstätt und
Bamberg rekrutierten sich daher meist aus
demselben Milieu traditionsreicher Reichs-
rittergeschlechter15, die sich bemühten,
durch eine wohlabgewogene Wahlpolitik
keiner Familie einen dauerhaften Vorrang
oder allzu große Ämterhäufung zuzugeste-
hen16. Man hat die Reichskirche daher zu
Recht als eine „Adelsrepublik“ bezeichnet17.
Der Sukzessor kannte daher meist die Spiel-
regeln und zeigte keine besondere Neigung,

eine oligarchisch-aristokratische Verfas-
sungsstruktur, die zuletzt allen Mitgliedern
nützte, zu durchbrechen18.
Viele Domherren waren Mitglieder mehre-
rer Kathedralkapitel, so daß man von einem
regen Austausch unter den Bauherren aus-
gehen kann: Die Gefahr einer regionalen
Isolierung war somit bei weitem geringer
als bei den ländlichen Klöstern Bayerns
und Schwabens. Als Adelige mochten vie-
le ihre „Grand tour“ absolviert haben und
Rom und Paris aus eigener Anschauung
kennen. Bevor man an die Renovatio der ei-
genen Kirche in Angriff nahm, erkundigte
man sich bei den oft weit entfernten Amts-
brüdern nach vorbildlichen Lösungen19.
2. Charakteristika der Bauaufgabe
„Domkirche“
Neben der überschaubaren Zahl und dem
kirchenrechtlich begründeten hohen An-
spruch erscheinen die Domkirchen aus
mehreren Gründen als besonders geeignet
für unsere Fragestellung.
Wie Dehio richtig bemerkte, wurde mit ei-
ner Ausnahme im Süddeutsch-Österreichi-
schen Raum keine einzige Domkirche völ-
lig neu errichtet: Der Salzburger Dom20
Santino Solaris blieb hier der regelbestäti-
gende Sonderfall, war doch bereits während
seiner Errichtung die hierfür erforderliche
Niederlegung des romanischen Vorgängers
sowie Größe und Aufwand des Neubaus
heftig unumstritten. Der ehrgeizige Erzbi-
schof Wolf Dietrich von Raitenau
(1587—1612)21 hatte den durch einen Brand
1598 zwar beschädigten, aber keineswegs
völlig zerstörten romanischen Dom22 - man
möchte fast sagen selbstverständlich - zu-
nächst renovieren lassen23. Spätestens 1606
war jedoch der Beschluß gefallen, die ro-
manische Ruine durch einen Neubau nach
Plänen Vincenzo Scamozzis zu ersetzen,
der abweichend vom Vorgängerbau im
Rahmen einer durchgreifenden städtebau-
lichen Neugestaltung der Residenzstadt in
Nord-Süd-Richtung errichtet werden sollte.
Nach dem Sturz des verspäteten Renais-

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