G. REGENSBURG
434 Schmid 1996, S. 41f; Schwaiger 1976, S.
203: nach 1648 mußten große Gebiete
der Oberpfalz erst mühsam rekatholisiert
werden, das eigene Territorium umfaßte
nur noch die Herrschaften Wörth und
Hohenburg.
435 Braunfels 1980 II, S. 199f; Schmid 1996,
hier S. 38: „Die Verfassungs- und Rechts-
strukturen sowie die Herrschaftsverhält-
nisse, die in Regensburg zu Beginn der
Neuzeit bestanden, dürfen in ihrer Kom-
plexität als nahezu einmalig in Deutsch-
land bezeichnet werden."
436 Siehe hierzu VI.33-39. Schwaiger 1976, S.
205 schildert den zum Teil grotesken
Wettstreit der infulierten Prälaten Re-
gensburgs (z.B. dem Abt von St. Em-
meram) mit den Domkapitularen um Vor-
tritt und Ehren bei öffentlichen Zeremo-
nien.
437 Siehe den Stich Merians von 1644 mit der
noch nicht eingewölbten Vierung in Kat.
Dom Regensburg 1989, S. 220.
438 Sitzungsprotokoll v. 10.06.1712, fol. 205v,
hier zit. nach Loers 1976, S. 239.
439 Zu den Versuchen einer Barockisierung
des Kölner Langhausfragments durch Le-
veilly 1739-42 siehe Braunfels 1980 II, S.
146. Im Chor ließ Kurfürst Clemens Au-
gust dagegen Strebepfeiler und Fialen
„[...] genau in der alten Form erneuern."
440 Loers 1976, S. 268, Abb. 54.; Raasch
1980, Abb. 21-23.
441 Raasch 1980, S. 266f: Der Stich von Opel
ist anscheinend nicht erhalten. Er wurde
angeblich dem Fürstbischof Philipp Wil-
helm von Wittelsbach vom Domkapitel
mit der Bitte vorgelegt, die Vollendung
der Kathedrale voranzutreiben.
442 Vergleiche die Vierungskuppeln an den
gotischen Domkirchen von Straßburg und
Passau“.
Die barocke Gestalt des Regensburger Do-
mes kann fast nur noch aus Quellen und
Abbildungen erschlossen werden; sie wird
daher nur kurz behandelt.
Viele der in Eichstätt gemachten Beobach-
tungen treffen auf die oberpfälzische Diö-
zese im gesteigerten Maße zu. Trotz seiner
Altehrwürdigkeit war das Hochstift arm434.
Im Gegensatz zu Freising und Eichstätt war
Regensburg keine geistliche Stadt, die so-
mit eine städtebauliche Verbindung von
Residenzfunktion und Bischofskirche na-
hegelegt hätte, sondern eine freie und ab
1542 protestantische Reichsstadt, die aber
aufgrund ihrer uralten Tradition als erster
bayerischer Herzogssitz einem Mosaik
kirchlicher Institutionen eigenen Rechts,
reichsfreien Stiften und exemten Klöstern
glich435. Die Konkurrenz dieser Institutio-
nen436, die allesamt innerstädtische, mittel-
alterliche Kirchen besaßen, führten zu ei-
nem ertragreichen Barockisierungs-Wett-
streit, an dem sich sogar die evangelischen
Kirchen der Stadt (St. Oswald), nicht aber
der Dom selbst beteiligte.
Wie ein Monolith des Mittelalters ragte der
unvollendete Kathedralbau437 aus einer von
konkurrierenden Repräsentationsansprü-
chen geprägten Umgebung. Ab 1663 war
die Stadt als Sitz des „Immerwährenden
Reichstags“ zudem ein politisches Neben-
zentrum des Reiches geworden. Die Fürsten
von Thurn und Taxis, Prinzipalkommissa-
re des Kaisers, verlegten ab 1748 ihre Re-
sidenz nach Regensburg. Von all dem blieb
das Hochstift bis zu seiner Übergabe an den
Fürstprimas des Rheinbundes Dalberg
(1803-1804) anscheinend unberührt.
Regensburg steht somit im Vergleich der Bi-
schofskirchen für das beharrende Element,
ein zähes Festhalten an der gotischen Sub-
stanz und am Status quo ohne besondere
Ambitionen zu weitreichenden Verände-
rungen. Weder eine imposante Fassade
noch ein Baldachinaltar wurden hier ge-
stiftet, und selbst der Minimalkonsens aller
Renovationes, das Einsetzen weißer Schei-
ben, unterblieb, obwohl Weihbischof Al-
brecht Ernst von Wartenberg 1712 vorge-
schlagen hatte, wenigstens im Chor für bes-
sere Belichtung zu sorgen, damit „beim
Hochamt mehr gesehen werden könne.“438
In diesem Verharren im mittelalterlichen
Zustand ist der Regensburger dem Kölner
Dom439 ebenso verwandt wie durch seine
für süddeutsche Verhältnisse ungewöhn-
lich anspruchsvolle gotische Architektur.
Die dreischiffige Basilika mit Doppelturm-
fassade, Querhaus und drei Chören folgt
weitgehend dem französischen Kathedral-
schema. Wie in Köln waren die Türme
kaum über die Höhe des poch nicht voll-
endeten Mittelschiffs hinaus gelangt. Den-
noch existierte eine hier sogar phantastisch
überhöhte Vorstellung vom vollendeten Zu-
stand, den die Kathedrale einst hätte errei-
chen sollen. Grundlage dieser Vision war
ein Stich von Melchior Küsell, Augsburg
1655, der den Dom mit einer hypertrophen
Doppelturmfassade und einer deutlich ba-
rock anmutenden Vierungskuppel zeigt440.
Diese Idealansicht beruhte anscheinend auf
einem Blatt des Regensburger Kupferste-
chers Peter Opel von 1593, der vorgab, den
mittelalterlichen Riß getreulich wiederzu-
geben441 ; die Legende wurde erst durch die
Wiederauffindung der Originalpläne im
Jahr 1828 widerlegt. Dennoch entsprach die
Anlage der Vierungskuppel dem Bau des
14. Jahrhunderts442, sie war allerdings wie
die westlichen Langhausjoche bis zum Bau-
stop 1538 nicht eingewölbt worden.
Somit kann auch die Vollendung der Vie-
rungskuppel unter Joseph Clemens von
Köln 1696, die einzige nennenswerte Bau-
maßnahme der Barockzeit, als Fortfüh-
rung des gotischen Baus, nicht aber als ein
Bruch mit dessen Vorgaben gelten. Sie
schließt an die stilgetreue Wölbung der
westlichen Langhausjoche unter Bischof
278
434 Schmid 1996, S. 41f; Schwaiger 1976, S.
203: nach 1648 mußten große Gebiete
der Oberpfalz erst mühsam rekatholisiert
werden, das eigene Territorium umfaßte
nur noch die Herrschaften Wörth und
Hohenburg.
435 Braunfels 1980 II, S. 199f; Schmid 1996,
hier S. 38: „Die Verfassungs- und Rechts-
strukturen sowie die Herrschaftsverhält-
nisse, die in Regensburg zu Beginn der
Neuzeit bestanden, dürfen in ihrer Kom-
plexität als nahezu einmalig in Deutsch-
land bezeichnet werden."
436 Siehe hierzu VI.33-39. Schwaiger 1976, S.
205 schildert den zum Teil grotesken
Wettstreit der infulierten Prälaten Re-
gensburgs (z.B. dem Abt von St. Em-
meram) mit den Domkapitularen um Vor-
tritt und Ehren bei öffentlichen Zeremo-
nien.
437 Siehe den Stich Merians von 1644 mit der
noch nicht eingewölbten Vierung in Kat.
Dom Regensburg 1989, S. 220.
438 Sitzungsprotokoll v. 10.06.1712, fol. 205v,
hier zit. nach Loers 1976, S. 239.
439 Zu den Versuchen einer Barockisierung
des Kölner Langhausfragments durch Le-
veilly 1739-42 siehe Braunfels 1980 II, S.
146. Im Chor ließ Kurfürst Clemens Au-
gust dagegen Strebepfeiler und Fialen
„[...] genau in der alten Form erneuern."
440 Loers 1976, S. 268, Abb. 54.; Raasch
1980, Abb. 21-23.
441 Raasch 1980, S. 266f: Der Stich von Opel
ist anscheinend nicht erhalten. Er wurde
angeblich dem Fürstbischof Philipp Wil-
helm von Wittelsbach vom Domkapitel
mit der Bitte vorgelegt, die Vollendung
der Kathedrale voranzutreiben.
442 Vergleiche die Vierungskuppeln an den
gotischen Domkirchen von Straßburg und
Passau“.
Die barocke Gestalt des Regensburger Do-
mes kann fast nur noch aus Quellen und
Abbildungen erschlossen werden; sie wird
daher nur kurz behandelt.
Viele der in Eichstätt gemachten Beobach-
tungen treffen auf die oberpfälzische Diö-
zese im gesteigerten Maße zu. Trotz seiner
Altehrwürdigkeit war das Hochstift arm434.
Im Gegensatz zu Freising und Eichstätt war
Regensburg keine geistliche Stadt, die so-
mit eine städtebauliche Verbindung von
Residenzfunktion und Bischofskirche na-
hegelegt hätte, sondern eine freie und ab
1542 protestantische Reichsstadt, die aber
aufgrund ihrer uralten Tradition als erster
bayerischer Herzogssitz einem Mosaik
kirchlicher Institutionen eigenen Rechts,
reichsfreien Stiften und exemten Klöstern
glich435. Die Konkurrenz dieser Institutio-
nen436, die allesamt innerstädtische, mittel-
alterliche Kirchen besaßen, führten zu ei-
nem ertragreichen Barockisierungs-Wett-
streit, an dem sich sogar die evangelischen
Kirchen der Stadt (St. Oswald), nicht aber
der Dom selbst beteiligte.
Wie ein Monolith des Mittelalters ragte der
unvollendete Kathedralbau437 aus einer von
konkurrierenden Repräsentationsansprü-
chen geprägten Umgebung. Ab 1663 war
die Stadt als Sitz des „Immerwährenden
Reichstags“ zudem ein politisches Neben-
zentrum des Reiches geworden. Die Fürsten
von Thurn und Taxis, Prinzipalkommissa-
re des Kaisers, verlegten ab 1748 ihre Re-
sidenz nach Regensburg. Von all dem blieb
das Hochstift bis zu seiner Übergabe an den
Fürstprimas des Rheinbundes Dalberg
(1803-1804) anscheinend unberührt.
Regensburg steht somit im Vergleich der Bi-
schofskirchen für das beharrende Element,
ein zähes Festhalten an der gotischen Sub-
stanz und am Status quo ohne besondere
Ambitionen zu weitreichenden Verände-
rungen. Weder eine imposante Fassade
noch ein Baldachinaltar wurden hier ge-
stiftet, und selbst der Minimalkonsens aller
Renovationes, das Einsetzen weißer Schei-
ben, unterblieb, obwohl Weihbischof Al-
brecht Ernst von Wartenberg 1712 vorge-
schlagen hatte, wenigstens im Chor für bes-
sere Belichtung zu sorgen, damit „beim
Hochamt mehr gesehen werden könne.“438
In diesem Verharren im mittelalterlichen
Zustand ist der Regensburger dem Kölner
Dom439 ebenso verwandt wie durch seine
für süddeutsche Verhältnisse ungewöhn-
lich anspruchsvolle gotische Architektur.
Die dreischiffige Basilika mit Doppelturm-
fassade, Querhaus und drei Chören folgt
weitgehend dem französischen Kathedral-
schema. Wie in Köln waren die Türme
kaum über die Höhe des poch nicht voll-
endeten Mittelschiffs hinaus gelangt. Den-
noch existierte eine hier sogar phantastisch
überhöhte Vorstellung vom vollendeten Zu-
stand, den die Kathedrale einst hätte errei-
chen sollen. Grundlage dieser Vision war
ein Stich von Melchior Küsell, Augsburg
1655, der den Dom mit einer hypertrophen
Doppelturmfassade und einer deutlich ba-
rock anmutenden Vierungskuppel zeigt440.
Diese Idealansicht beruhte anscheinend auf
einem Blatt des Regensburger Kupferste-
chers Peter Opel von 1593, der vorgab, den
mittelalterlichen Riß getreulich wiederzu-
geben441 ; die Legende wurde erst durch die
Wiederauffindung der Originalpläne im
Jahr 1828 widerlegt. Dennoch entsprach die
Anlage der Vierungskuppel dem Bau des
14. Jahrhunderts442, sie war allerdings wie
die westlichen Langhausjoche bis zum Bau-
stop 1538 nicht eingewölbt worden.
Somit kann auch die Vollendung der Vie-
rungskuppel unter Joseph Clemens von
Köln 1696, die einzige nennenswerte Bau-
maßnahme der Barockzeit, als Fortfüh-
rung des gotischen Baus, nicht aber als ein
Bruch mit dessen Vorgaben gelten. Sie
schließt an die stilgetreue Wölbung der
westlichen Langhausjoche unter Bischof
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