H. KONSTANZ
465 Vergl. Burger 1927, S. 1-15, 23-32. Das
1827 gegründete Erzbistum Freiburg ent-
stand als Konglomerat aus Teilen von
sechs verschiedenen Bistümern, deren
Gebiete nun durch napoleonische Grenz-
ziehungen in das Großherzogtum Baden
inkorporiert worden waren.
466 Kat. Konstanz 1996.
Schon der Name „Münster“ statt Dom ver-
weist neben dem geläufigen oberdeutschen
Sprachgebrauch auf die Tatsache, daß die
Hauptkirche des ehemals größten Bistums
in Süddeutschland heute nicht mehr Mittel-
punkt einer Diözese ist. So wie Freising den
Bischofsrang in der Säkularisation an die
Hauptstadt des neugegründeten bayeri-
schen Königreichs abtreten mußte, wurde
Abb. 183: Konstanz, Münster: Längsschnitt (gespiegelt)
Abb. 184: Konstanz, Münster: Grundriß (Süden oben)
das alte Konstanzer Diözesangebiet zwi-
schen den neuen napoleonischen Staaten
Baden (Erzbistum Freiburg465), Württem-
berg (Bistum Rottenburg-Stuttgart), der
Schweiz und Bayern aufgeteilt.
Der Niedergang eines glanzvollen religiösen
Zentrums hatte aber auch hier (ähnlich wie
in Trier) schon früher eingesetzt: Hart an
der Grenze einer in der frühen Neuzeit auf-
strebenden regionalen Vormacht, der Eid-
genossenschaft, gelegen, wurde auch die
Bischofsstadt am Bodensee von den hefti-
gen reformatorischen Bewegungen in Ober-
deutschland und der Schweiz ergriffen und
das Kapitel 1526 aus jener Stadt vertrieben,
welche 100 Jahre zuvor (von 1414-18)
Mittelpunkt der Weltkirche beim Konzil
vom Konstanz gewesen war. 1548 konnte
der katholische Glaube mit Waffengewalt
wieder eingeführt werden, aber die staatli-
che Oberhoheit der Stadt ging auf das habs-
burgische Vorderösterreich über466: Religi-
öse und territoriale Macht wurden getrennt,
der Bischof war nicht mehr weltlicher Herr
seiner Domkirche und beließ daher seinen
Sitz in der Kleinstadt Meersburg.
Seit der Verlegung der bischöflichen Resi-
denz - das Kapitel siedelte zeitweise nach
Radolfzell über - erfuhr das Münster nicht
mehr jene Sorgfalt und künstlerische Zu-
wendung wie in jenen Städten, in denen
der Domklerus noch täglich gemeinsam in
seiner Kirche die Horen betete und Messe
feierte. Konstanz teilte somit das Schicksal
von Speyer, Worms, Köln, Augsburg und
Basel und soll hier stellvertretend für die
Gruppe jener aufgrund politischer Wirren
„verwaister“ Domkirchen stehen. Was das
Liebfrauenmünster vor den anderen ge-
nannten Beispielen auszeichnet ist die den-
noch kontinuierlich festzustellende Reno-
vationstätigkeit, die zwar nicht zu einem so
geschlossenen Raumbild wie in Freising,
Würzburg, Passau oder Mainz, aber zu ei-
nem interessanten „Musterkatalog“ ver-
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465 Vergl. Burger 1927, S. 1-15, 23-32. Das
1827 gegründete Erzbistum Freiburg ent-
stand als Konglomerat aus Teilen von
sechs verschiedenen Bistümern, deren
Gebiete nun durch napoleonische Grenz-
ziehungen in das Großherzogtum Baden
inkorporiert worden waren.
466 Kat. Konstanz 1996.
Schon der Name „Münster“ statt Dom ver-
weist neben dem geläufigen oberdeutschen
Sprachgebrauch auf die Tatsache, daß die
Hauptkirche des ehemals größten Bistums
in Süddeutschland heute nicht mehr Mittel-
punkt einer Diözese ist. So wie Freising den
Bischofsrang in der Säkularisation an die
Hauptstadt des neugegründeten bayeri-
schen Königreichs abtreten mußte, wurde
Abb. 183: Konstanz, Münster: Längsschnitt (gespiegelt)
Abb. 184: Konstanz, Münster: Grundriß (Süden oben)
das alte Konstanzer Diözesangebiet zwi-
schen den neuen napoleonischen Staaten
Baden (Erzbistum Freiburg465), Württem-
berg (Bistum Rottenburg-Stuttgart), der
Schweiz und Bayern aufgeteilt.
Der Niedergang eines glanzvollen religiösen
Zentrums hatte aber auch hier (ähnlich wie
in Trier) schon früher eingesetzt: Hart an
der Grenze einer in der frühen Neuzeit auf-
strebenden regionalen Vormacht, der Eid-
genossenschaft, gelegen, wurde auch die
Bischofsstadt am Bodensee von den hefti-
gen reformatorischen Bewegungen in Ober-
deutschland und der Schweiz ergriffen und
das Kapitel 1526 aus jener Stadt vertrieben,
welche 100 Jahre zuvor (von 1414-18)
Mittelpunkt der Weltkirche beim Konzil
vom Konstanz gewesen war. 1548 konnte
der katholische Glaube mit Waffengewalt
wieder eingeführt werden, aber die staatli-
che Oberhoheit der Stadt ging auf das habs-
burgische Vorderösterreich über466: Religi-
öse und territoriale Macht wurden getrennt,
der Bischof war nicht mehr weltlicher Herr
seiner Domkirche und beließ daher seinen
Sitz in der Kleinstadt Meersburg.
Seit der Verlegung der bischöflichen Resi-
denz - das Kapitel siedelte zeitweise nach
Radolfzell über - erfuhr das Münster nicht
mehr jene Sorgfalt und künstlerische Zu-
wendung wie in jenen Städten, in denen
der Domklerus noch täglich gemeinsam in
seiner Kirche die Horen betete und Messe
feierte. Konstanz teilte somit das Schicksal
von Speyer, Worms, Köln, Augsburg und
Basel und soll hier stellvertretend für die
Gruppe jener aufgrund politischer Wirren
„verwaister“ Domkirchen stehen. Was das
Liebfrauenmünster vor den anderen ge-
nannten Beispielen auszeichnet ist die den-
noch kontinuierlich festzustellende Reno-
vationstätigkeit, die zwar nicht zu einem so
geschlossenen Raumbild wie in Freising,
Würzburg, Passau oder Mainz, aber zu ei-
nem interessanten „Musterkatalog“ ver-
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