I. WÜRZBURG
506 Braunfels 1980 II, S. 268-298.
507 Zur Mitgliedschaft im Domkapitel war
der Nachweis von mindestens sechzehn
adeligen Ahnen erforderlich, die in der
„Ahnenprobe" vor dem Eintritt nachge-
wiesen werden mußten. Hierdurch ist
auch die besondere Vorliebe für Heraldik
auf den Epitaphien der Mainzer und
Würzburger Prälaten begründet. Siehe
Antz 1997, S. 19. In Freising konnte die-
ser Nachweis dagegen ab dem 15. Jh.
durch einen Doktortitel ersetzt werden.
Siehe Götz 1992, S. 221.
508 Braunfels 1980 II, S. 196: In der Steuer-
schätzung von 1792 mit 1032 fl. und
280.000 Einwohnern in 4789 qkm das er-
tragsstärkste aller Hochstifte.
509 Zu den adeligen Domkapiteln vergl. Soder
von Güldenstubbe 1987, Hartmann 1979.
510 Dehio Franken 1979, S. 907.
Das Bistum Würzburg506, heute ein Teil
Bayerns, gehört jener Kunstlandschaft an,
die von der älteren Forschung als „rhein-
fränkisch“ bezeichnet wird. Im Barock ist
diese kulturelle Achse entlang des Mains
vor allem durch die gemeinsame Füh-
rungsschicht der in dieser Region dominie-
renden geistlichen Herrschaften, den soge-
nannten Stiftsadel507, geprägt. Die weitge-
spannten Verbindungen dieser Familien,
deren heute berühmteste die Schönborns
sind, begünstigten die Wahl von Künstlern
mit stärker höfischer Ausrichtung als im re-
gional geprägten bayerisch-schwäbischen
Kunstkreis. Die qualitativen Ansprüche der
Bauherren waren hoch, das Fürstbistum
reich508, und die zur Verfügung stehenden
Abb. 194: Würzburg, Dom: Grundriß
Kräfte - im 18. Jahrhundert etwa Balthasar
Neumann, Maximilian von Welsch, Johann
Lucas von Hildebrandt, Giambattista Tie-
polo - garantierten einen internationalen
Standard. Im Unterschied zu den bayeri-
schen Bistümern und Kurköln wußten es
die rheinfränkischen Domkapitel stets zu
verhindern, zum Erbbesitz einer dominie-
renden Familie oder zur Pfründe der Se-
kundogenitur zu werden. Andererseits be-
dingte das stark korporativ geprägte Selbst-
verständnis dieser Hochstifte - eine Art
Adelsrepublik mit dem stets frei aus den ei-
genen Reihen gewählten Fürstbischof als
Primus inter pares - einen stärker kollekti-
vistischen Zug, der von starker Hand eines
individualistischen Bauherrn geformte Pro-
jekte wie in Freising kaum zuließ509.
Der Würzburger Dom (VI.49; IVA, C.2) er-
weckt unter den hier vorgestellten Bi-
schofskirchen den disparatesten Eindruck,
Folge einer bewegten Bau-, Dekorations-,
Zerstörungs- und Wiederaufbaugeschichte.
Das Äußere entspricht weitgehend dem
staufischen Bau des 12. Jahrhunderts, ob-
wohl auch hier im einzelnen viele modifi-
zierende Eingriffe stattfanden. Das Innere
zerfällt heute in zwei ästhetisch völlig un-
verbundene Hälften: Das nach der Bom-
bardierung des Zweiten Weltkriegs 1946
eingestürzte und bis 1967 wiederaufgebau-
te Langhaus präsentiert eine „intellektuali-
stisch-modernistische Romanikvorstel-
lung“™. Die Ostteile Chor und Querhaus
zeigen dagegen die aller alten Ausstattung
beraubte, aber nach Kriegsschäden wieder-
hergestellte Raumfassung der zweiten Re-
novatio aus den Jahren 1699-1704 mit ei-
ner neugestalteten Altarinsel in der Vie-
rung, die den veränderten Anforderungen
des 2. Vatikanums Rechnung trägt. Als An-
bau des 18. Jahrhunderts gibt sich die
Schönbornkapelle von Balthasar Neumann
an der Stirnseite des Nordquerhauses zu er-
kennen.
294
506 Braunfels 1980 II, S. 268-298.
507 Zur Mitgliedschaft im Domkapitel war
der Nachweis von mindestens sechzehn
adeligen Ahnen erforderlich, die in der
„Ahnenprobe" vor dem Eintritt nachge-
wiesen werden mußten. Hierdurch ist
auch die besondere Vorliebe für Heraldik
auf den Epitaphien der Mainzer und
Würzburger Prälaten begründet. Siehe
Antz 1997, S. 19. In Freising konnte die-
ser Nachweis dagegen ab dem 15. Jh.
durch einen Doktortitel ersetzt werden.
Siehe Götz 1992, S. 221.
508 Braunfels 1980 II, S. 196: In der Steuer-
schätzung von 1792 mit 1032 fl. und
280.000 Einwohnern in 4789 qkm das er-
tragsstärkste aller Hochstifte.
509 Zu den adeligen Domkapiteln vergl. Soder
von Güldenstubbe 1987, Hartmann 1979.
510 Dehio Franken 1979, S. 907.
Das Bistum Würzburg506, heute ein Teil
Bayerns, gehört jener Kunstlandschaft an,
die von der älteren Forschung als „rhein-
fränkisch“ bezeichnet wird. Im Barock ist
diese kulturelle Achse entlang des Mains
vor allem durch die gemeinsame Füh-
rungsschicht der in dieser Region dominie-
renden geistlichen Herrschaften, den soge-
nannten Stiftsadel507, geprägt. Die weitge-
spannten Verbindungen dieser Familien,
deren heute berühmteste die Schönborns
sind, begünstigten die Wahl von Künstlern
mit stärker höfischer Ausrichtung als im re-
gional geprägten bayerisch-schwäbischen
Kunstkreis. Die qualitativen Ansprüche der
Bauherren waren hoch, das Fürstbistum
reich508, und die zur Verfügung stehenden
Abb. 194: Würzburg, Dom: Grundriß
Kräfte - im 18. Jahrhundert etwa Balthasar
Neumann, Maximilian von Welsch, Johann
Lucas von Hildebrandt, Giambattista Tie-
polo - garantierten einen internationalen
Standard. Im Unterschied zu den bayeri-
schen Bistümern und Kurköln wußten es
die rheinfränkischen Domkapitel stets zu
verhindern, zum Erbbesitz einer dominie-
renden Familie oder zur Pfründe der Se-
kundogenitur zu werden. Andererseits be-
dingte das stark korporativ geprägte Selbst-
verständnis dieser Hochstifte - eine Art
Adelsrepublik mit dem stets frei aus den ei-
genen Reihen gewählten Fürstbischof als
Primus inter pares - einen stärker kollekti-
vistischen Zug, der von starker Hand eines
individualistischen Bauherrn geformte Pro-
jekte wie in Freising kaum zuließ509.
Der Würzburger Dom (VI.49; IVA, C.2) er-
weckt unter den hier vorgestellten Bi-
schofskirchen den disparatesten Eindruck,
Folge einer bewegten Bau-, Dekorations-,
Zerstörungs- und Wiederaufbaugeschichte.
Das Äußere entspricht weitgehend dem
staufischen Bau des 12. Jahrhunderts, ob-
wohl auch hier im einzelnen viele modifi-
zierende Eingriffe stattfanden. Das Innere
zerfällt heute in zwei ästhetisch völlig un-
verbundene Hälften: Das nach der Bom-
bardierung des Zweiten Weltkriegs 1946
eingestürzte und bis 1967 wiederaufgebau-
te Langhaus präsentiert eine „intellektuali-
stisch-modernistische Romanikvorstel-
lung“™. Die Ostteile Chor und Querhaus
zeigen dagegen die aller alten Ausstattung
beraubte, aber nach Kriegsschäden wieder-
hergestellte Raumfassung der zweiten Re-
novatio aus den Jahren 1699-1704 mit ei-
ner neugestalteten Altarinsel in der Vie-
rung, die den veränderten Anforderungen
des 2. Vatikanums Rechnung trägt. Als An-
bau des 18. Jahrhunderts gibt sich die
Schönbornkapelle von Balthasar Neumann
an der Stirnseite des Nordquerhauses zu er-
kennen.
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