H | Konstanz
die Entscheidung der Denkmalpflege zu-
gunsten einer stilistischen Vereinheitli-
chung bestärkt haben504.
3. Charakterisierung und Bewer-
tung der Konstanzer Renovatio
Die Renovatio des Konstanzer Münsters war
durch äußere Umstände, die Vertreibung
von Bischof und Kapitel aus ihrer Stadt, im
Vorhinein determiniert. Es ist daher nicht
verwunderlich, daß fundamentale Neuge-
staltungen wie in Passau, Freising oder
Würzburg nicht in Angriff genommen wur-
den. Dennoch zeigt sich auch hier eine
spürbare lokale Kontinuität, ein eigener Re-
novatio-Charakter, der stärker als bei den
bayerischen Bischofkirchen von historisie-
renden Tendenzen geprägt war.
Konstanz, eine ab 1548 vorderösterreichi-
sche Stadt am Hochrhein, könnte diese Ein-
flüsse von habsburgischer Seite505 oder von
Westen aus dem Rheinland empfangen ha-
ben. Auch der starke Einfluß der Jesuiten
auf das Kapitel mag zumindest bei der Iko-
nographie der neuerrichteten Altäre eine
Rolle gespielt haben. Auffällig ist aber, daß
die gotisierende Renovatio hier offensicht-
lich keine Frage der Zeitmode, sondern ei-
nes bewußten und kontinuierlich verfolgten
„Bauherrenwillens“ war: Bei der Einwöl-
bung des Langhauses um 1680 war die
postume Gotik im überwiegenden Teil
Deutschlands längst aus der Mode gekom-
men, und die bemerkenswert behutsame
frühklassizistische Neugestaltung des Cho-
res durch dTxnard kann weder unmittelbar
aus der französischen Renovatio-Tradition,
noch aus einer persönlichen Vorliebe die-
ses Meister für das Mittelalter erklärt wer-
den. Vielleicht hat der Bildersturm der Re-
formationszeit hier eine besondere Wert-
schätzung des alten Stiles durch die katho-
lischen Auftraggeber bestärkt, deren Haupt-
motivation aber wohl in einem dynastisch-
traditionalistischen Repräsentationsver-
ständnis zu suchen ist.
Es spricht somit alles für eine bewußte Mo-
dus-VJahl, die eine grundsätzlich und dau-
erhaft positive Einstellung der Bauherren
zum mittelalterlichen Charakter des Mün-
sters belegt. Dennoch enthielt man sich
nicht wie in Eichstätt, Mainz oder Regens-
burg jeder Umgestaltung der Raumschale,
sondern stellte sich dieser Herausforde-
rung beherzt und mit Mut zu unkonven-
tionellen Lösungen: Das Liebfrauenmün-
ster am Bodensee ist eines der originellsten
und selbstbewußtesten Beispiele „Histori-
sierender“ Renovatio unter den Kirchen
Süddeutschlands.
504 Reiners 1955, S. 80; Reiners-Ernst 1956,
S. 161.1860 war d'lxnards Gestaltung der
Ostwand beseitigt und das Maßwerk er-
neuert worden.
505 Reiners-Ernst 1956, S. 108, Nr. 690: Erz-
herzog Leopold von Österreich stiftete
1629 3000 fl. zur „[...] gewelbung des
Mittleren Haus [...]".
293
die Entscheidung der Denkmalpflege zu-
gunsten einer stilistischen Vereinheitli-
chung bestärkt haben504.
3. Charakterisierung und Bewer-
tung der Konstanzer Renovatio
Die Renovatio des Konstanzer Münsters war
durch äußere Umstände, die Vertreibung
von Bischof und Kapitel aus ihrer Stadt, im
Vorhinein determiniert. Es ist daher nicht
verwunderlich, daß fundamentale Neuge-
staltungen wie in Passau, Freising oder
Würzburg nicht in Angriff genommen wur-
den. Dennoch zeigt sich auch hier eine
spürbare lokale Kontinuität, ein eigener Re-
novatio-Charakter, der stärker als bei den
bayerischen Bischofkirchen von historisie-
renden Tendenzen geprägt war.
Konstanz, eine ab 1548 vorderösterreichi-
sche Stadt am Hochrhein, könnte diese Ein-
flüsse von habsburgischer Seite505 oder von
Westen aus dem Rheinland empfangen ha-
ben. Auch der starke Einfluß der Jesuiten
auf das Kapitel mag zumindest bei der Iko-
nographie der neuerrichteten Altäre eine
Rolle gespielt haben. Auffällig ist aber, daß
die gotisierende Renovatio hier offensicht-
lich keine Frage der Zeitmode, sondern ei-
nes bewußten und kontinuierlich verfolgten
„Bauherrenwillens“ war: Bei der Einwöl-
bung des Langhauses um 1680 war die
postume Gotik im überwiegenden Teil
Deutschlands längst aus der Mode gekom-
men, und die bemerkenswert behutsame
frühklassizistische Neugestaltung des Cho-
res durch dTxnard kann weder unmittelbar
aus der französischen Renovatio-Tradition,
noch aus einer persönlichen Vorliebe die-
ses Meister für das Mittelalter erklärt wer-
den. Vielleicht hat der Bildersturm der Re-
formationszeit hier eine besondere Wert-
schätzung des alten Stiles durch die katho-
lischen Auftraggeber bestärkt, deren Haupt-
motivation aber wohl in einem dynastisch-
traditionalistischen Repräsentationsver-
ständnis zu suchen ist.
Es spricht somit alles für eine bewußte Mo-
dus-VJahl, die eine grundsätzlich und dau-
erhaft positive Einstellung der Bauherren
zum mittelalterlichen Charakter des Mün-
sters belegt. Dennoch enthielt man sich
nicht wie in Eichstätt, Mainz oder Regens-
burg jeder Umgestaltung der Raumschale,
sondern stellte sich dieser Herausforde-
rung beherzt und mit Mut zu unkonven-
tionellen Lösungen: Das Liebfrauenmün-
ster am Bodensee ist eines der originellsten
und selbstbewußtesten Beispiele „Histori-
sierender“ Renovatio unter den Kirchen
Süddeutschlands.
504 Reiners 1955, S. 80; Reiners-Ernst 1956,
S. 161.1860 war d'lxnards Gestaltung der
Ostwand beseitigt und das Maßwerk er-
neuert worden.
505 Reiners-Ernst 1956, S. 108, Nr. 690: Erz-
herzog Leopold von Österreich stiftete
1629 3000 fl. zur „[...] gewelbung des
Mittleren Haus [...]".
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