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Engelberg, Meinrad von
Renovatio Ecclesiae: die "Barockisierung" mittelalterlicher Kirchen — Petersberg: Imhof, 2005

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.62514#0355
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GRUNDFRAGEN
IV. DER RENOVATIO

A. RENOVATIO - WARUM?
ZUR BEGRÜNDUNG EINER BAUHERRENENTSCHEIDUNG

Sucht man in zeitgenössischen Schriftquel-
len nach ausdrücklichen Erklärungen für
das Phänomen der Renovatio, nach Argu-
menten für oder gegen den Abriß mittel-
alterlicher Kirchen, Diskussionen über Neu-
bau oder Umbau, Hinweise auf die Wahl des
geeigneten Modus oder programmatische
Intentionen für die Pflege und Erhaltung
überkommener Kirchenbauten, so wird man
in der Regel enttäuscht.
Die Erneuerung katholischer Kirchen im
Barock scheint so selbstverständlich gewe-
sen zu sein, daß grundsätzliche Überlegun-
gen oder Begründungen nicht nötig oder
zumindest nicht der Aufzeichnung wert er-
schienen. Allenfalls wird über den Umfang
und die Finanzierung der jeweiligen Maß-
nahme zwischen verschiedenen Geldgebern
gestritten, aber die Frage eines „Warum?“,
das Problem der Rechtfertigung wird nie-
mals ausdrücklich thematisiert.
Die Begründungsfrage kann somit auf dem
Stand des bisher bekannten Materials nur
annähernd und unvollständig beantwortet
werden. Es soll im Folgenden versucht wer-
den, durch die Gegenüberstellung vielfälti-
ger exemplarischer Zitate die hinter dem
Einzelfall erkennbaren Prinzipien aufzuzei-
gen.
Generell ist festzustellen, daß es sich unter
Katholiken offensichtlich nicht um ein kon-
troverses Thema handelt. Dagegen spielt die
unterschiedliche Auffassung vom Kirchen-
raum eine wichtige Rolle bei der Abgren-
zung gegenüber den Protestanten, auf de-
ren Renovationes im Kapitel II.D zur Reno-
vatio in Deutschland ausführlich eingegan-
gen wurde.

Folgende fünf Kernfragen sollen so weit
möglich beantwortet werden:
- Ist das entscheidende Movens für die
Renovatio einer mittelalterlichen Kirche
eher in dem Wunsch nach Bewahrung
(„Denkmalpflege“, „Pietät“) oder nach
Erneuerung zu sehen?
- Worauf ist die Wahl der Modi zurück-
zuführen? Beruht diese Entscheidung
auf den individuellen Vorlieben des
Bauherrn, dem künstlerischen Angebot,
oder werden die angewandten Mittel
durch den Charakter der zu renovieren-
den Kirche bestimmt?
- Handelt es sich bei der Entscheidung für
Renovatio oder Neubau um eine prag-
matische oder eine programmatische
Wahl?
- Wird das sichtbare Alter einer Kirche als
besondere, schonungswürdige Qualität
betrachtet und werden dieser Erschei-
nung eigene religiöse oder repräsen-
tative Qualitäten zugesprochen? Gibt
es bestimmte Bauherren, die besonde-
ren Wert auf diese Altertümlichkeit
legen?
- Welche Rolle spielen bei dieser Ent-
scheidung die konkreten „harten Fak-
ten“ wie der bauliche Zustand der Kir-
che, die finanziellen Mittel des Bau-
herrn oder die aus seiner sozialen Stel-
lung resultierenden Repräsentationsver-
pflichtungen?

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