Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
174 Der Herr Gevatter.

„Lisabeth", sagte dcr Ochsenwirth zu seiner Frau, „mit
dem Controleur ist's nimmermehr auszuhalten. Ich begehe
ja, weiß Gott, nichts Unrechtes, und will's gern bezahlen, das
Umgcld, so eine arge Schur es auch ist. Aber der Controleur
hudelt und schindet einen, daß man aus der Haut fahren
möchte. Er ist hart, wie eine rindsledcrne Sohle; wenn ich
nur wüßte, wie man ihn geschmeidiger machen könnte, ich wollt'
gern was d'ran rücken."

Die Ochsenwirthin stand nachdenklich da, die Hände über
, dem Leib gefaltet und die Augen auf den Boden geheftet.

! „Konrad, ich hab'S!" sagte sie endlich und schlägt die Augen
auf, „Du mußt ihn zu Gevatter bitten — die Gelegenheit ist
ja unterwegs — als Gevatter muß er doch ein Einsehen haben."

„Du bist ein gescheidtes Weib!" sagt der Ochsenwirth
und kratzt sich hinter den Ohren. „Es kommt mir zwar sauer an,
die Verwandtschaft ist mir nicht recht anständig, aber ich will
dem Teufel ein Bein brechen, vielleicht wird er mürber dadurch."

Uebcr ein Paar Tage legt sich die Lisabcth und bekommt
einen stattlichen Buben; man hätte zwei daraus machen kön-
nen^ so dick war er. Sein Vater zieht den blauen Sonntags-
rock an und die neue rothc Weste darunter, macht sich aus
und bricht dem Teufel das Bein, von dem er gesprochen hat,
nämlich er begibt sich zu dem Controleur, klopft höflich an,
nur mit einem einzigen Finger, tritt ein und sagt sein Sprüchlein
her. Der Controleur hat zuerst ein Gesicht gemacht, als wcnn's
mit dem Meßricmen cingeschnürt wäre; wie er allgemach ver-
nahm, wovon die Rede sei, da ließ der bewußte Riemen nach,
das Gesicht ging auseinander und wurde immer breiter, ab-
sonderlich zwischen dem Mund und den Ohren. Wip der
Konrad fertig war, so bedankte sich der Controleur mit vielen
wohlgesetzten Worten für die Ehre und versprach, er wolle ge-
wiß nicht ausbleiben. Dabei rieb er sich die Hände und man
sah ihm an, daß ihn dcr Antrag überrascht hatte, denn er

hatte so etwas nicht erwartet. Er
war sonst beliebt, wie das schlechte
Geld, nur kam er nicht überall herum,
wie das; im Gegcntheile, man schloß
vor ihm die Thürc, wo sich nur ir-
gend ein Schlüssel drehen ließ und die
Gevatterschaft hatte ihm noch Niemand
angcbotc», ob mit Recht oder Unrecht,
wird der Erfolg lehren. Es gibt eben
verschiedene Gcmüthöarten unter den
Menschen, gattigc und ungattige; also
wird das vcrmuthlich der Fall auch
bei dem Controleur sein.

Nun, um cs kurz zu mache», die
Taufe kam, dcr Herr Gevatter Con-
troleur hielt Wort, der Ochsenwirth
sparte seinen Rothen nicht, und sie
lebten herrlich und in Freuden. Den
Ochsenwirth kitzelte cs doch im Stil-
len, so einen vornehmen Gevatter zu
haben, während dagegen den Cvntro-
leur der Rothc kitzelte, nämlich auf dem Gaumen.. Am Ende
wurden sic ganz kreuzfidel mit einander, dcr Controleur schmol-
lirtc sogar mit dem Ochsenwirth und nun hieß es: „Du Ge-
vatter" hin und „Du Gevatter" her, bis sie es beide nicht
mehr recht deutlich aussprcchcn konnten und mußten's beim gu-
te» Willen bewenden lassen.

Dcr Ochsenwirth aber hatte gerade um die Zeit viel
Wein gekauft und wollte ihn mit Nächstem hcimführen. Da
kam ein ober zwei Tage nach dcr Taufe dcr Controleur in
den Ochse», forderte einen Schoppen von dem bewußten Rothen
und hob an: „Nun, Gcvattermann, wie geht's, wie steht's?

Alles in Ordnung in Deinem Keller?" Dabei machte er ein
scharf Gesicht und drückte die Augen so ein klein wenig zu-
sammen.

„Ja wohl, überaus!" antwortete der Ochsenwirth. „Ich
lass' nichts auf mich kommen, Gcvattermann, das wär' das
Erstemal."

„D'rum, Gcvattermann," fuhr dcr Controleur fort und
drückte die Augen »och mehr zusammen, „ich sag' Dir's ein
für allemal, ich hoffe, Du wirst mir nicht den Possen spielen,
daß ich Dich an's Messer liefern müßte. Sich', Du bist mir
lieb und werth, aber Eid und.Pflicht geht über die Gevatter-
schaft. Laß Dich ja nie vom Satan blenden! Ich könnte
Dich nicht schonen und wenn Du mein eigener Bruder wärst.
So, jetzt kannst Du nicht sagen, Du seiest nicht von mir ge-
warnt worden."

„Mir darfst Du jeden Augenblick den Keller visitiren",
erwiderte der Ochsenwirth und lobte im Ucbrigen die Gewis-
senhaftigkeit seines Gevatters. Der lobte den Wein, ließ sich
noch einen Schoppen geben und sprach dann von Wind und
Wetter. „Verstehst Du Dich nicht darauf", fragte er, „ob
sich's bald aufhcllen wird? Ich wollte, daß eine Bombe d'rein
schlüge, man riskirt ja seinen gesunden Leib, wenn man bei
Image description

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Herr Gevatter"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Verwandtschaft
Gastwirt
Pate
Feier <Motiv>
List
Wochenbett <Motiv>
Gastwirtin
Karikatur
Neugeborenes
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 27.1857, Nr. 648, S. 174

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen