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Der Bannspruch.

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weder zu Roß noch zu Wagen nach Sinnbaar gelangen konnte,
sintemal nur höchst beschwerliche Fußstege, — ähnlich den
Pfaden der Tugend und so wenig betreten wie diese — aus
dem Sinnbaarcr Himmel in das deutsche Vaterland führten,
welches damals Uebeln ausgesetzt war, die traditionell nur der
Hölle zustehen.

Die Sinnbaarcr hatten Witz genug gehabt, im Anfang
des blutigen Krieges die rauhen und steilen Zugänge zu ihrem
Paradiese durch künstliche Verhaue »och schwieriger und für
Fremde geradezu unwegsam zu mache», wcßhalb sic denn auch
von der großen Tragödie, die rund um sie herum spielte, gar
uicht betroffen wurden, ja nur höchst selten eine spärliche Nach-
richt davon erhielten. Sie lebten in ihrem abgeschlossenen Thal-
keffel wie Vögel im Hanfsamen, denn das Thal war frucht-
bar und versorgte die an viele Bedürfnisse nicht gewohnten
Rcichstädter mit Allem, was zum Leben nöthig war.

Dein lieben Herrgott ist man aber bekanntlich nicht zu
klug und er fand die Sinnbaarcr trotz ihrer, von der Natur
und von menschlichem Scharssinn geschaffenen Absperrung.

Den regierenden Senator von Sinnbaar hatte nämlich in
seinen letzte» Lebensjahren ein unnatürlicher Geiz befallen.

Ob ihn die Absicht beseelte, seine einzige schöne Tochter
i als die reichste Erbin zu hinterlassen, oder ob es der Ausbruch
eines bis dahin versteckt gehaltenen Naturfehlcrs war, ist nicht
ermittelt worden.

Seine Wirkungen nach Außen aber verspürten die Sinn-'
baarer bald, denn der Herr Senator beschäftigte sich speziell
damit, sein Grundeigenthum zu vermehren und bewirkte er
dieses keineswegs auf dem legitimen Wege des Ankaufs, son-
dern durch die weit cinsachcre Manipulation des Hinausrückens
der Marksteine über die bisherigen Grenzen seines Besitzes.
Abhülse gegen seine Rechtsverletzungen war nicht zu finden, !
denn daS höchste Gericht in Sinnbaar war eben der Senator !

selbst und zwar, wie es ortsüblich, ans Lebenszeit erwählt; die
Hilse von Außen hatten sich die gute» Leute in ihrer Weisheit
selbst versperrt, indem sic die Communication mit der Außen-
welt abbrachen. Au Selbsthilfe zu denke», fällt aber einem
biedern Deutschen unter keinen Umständen ein, und so blieben
denn die armen Sinnbaarcr in ihrer idyllischen Abgeschiedenheit
der steten Plage ausgesetzt, ihre Felder im eigentlichen Sinne
des Worts von Tag zu Tag mehr einschrumpfen zu sehen.

Großer Jubel war dcßhalb in Sinnbaar, als eines Mor-
gcns die fröhliche Kunde erscholl, der räuberische Senator sei
vergangene Nacht am Schlagflusse verschiede». Jedermann in
Sinnbaar freute sich so ausgelassen, als ob ihm ein Alp von
der Brust gewichen wäre, da die kühnen Operationen des Ver-
storbenen den Besitz eines Jede» mehr oder weniger geschmä-
lert hatten.

In ihrer Freude vergaßen sic cs gänzlich, jene neidischen
Gottheiten, denen eine allgemeine Freude des Menschcnvolks
ein Gräuel ist, durch irgend ein Opfer zu versöhnen, wie es
ehedem der heidnische König Polykratcs versucht hatte.

Das rächte sich bald genug, und schon am Tage des Be-
gräbnisses des Senators trübte sich die fröhliche Stimmung
durch das beunruhigende Gerücht, der Begrabene sei mit einer
von Menschenkraft nicht zu tragende» Last von Grenzsteinen
auf dem Rücken, über die Felder schreitend, gesehen worden.

Als die kommende Nacht dieses Gerücht vollständig be-
stätigte, indem von vielen glaubwürdigen Personen der mark-
durchschneidendc Ruf: „Wo soll ich sic hinsetzen?" deutlich

vernommen wurde und am Tage darauf der Senator mit sei-
ner Last von Steinen sogar dem schnell davon rennenden Flur-
schützen begegnete, war es um die Ruhe des Städtchens ge-
schehen. Jede Nacht wurde das Rufen lauter und immer
bäufiger schreckte das Gespenst die Feldarbeitcr, so daß sich am
Ende Niemand mehr hinauswagte.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Bannspruch"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Muttenthaler, Anton
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Flucht <Motiv>
Gebirge <Motiv>
Senator
Geister <Motiv>
Toter <Motiv>
Grenzstein
Karikatur
Bauer <Motiv>
Feld <Motiv>
Satirische Zeitschrift

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Digitales Bild
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Public Domain Mark 1.0
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Fliegende Blätter, 28.1858, Nr. 656, S. 26

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