Das Grame n.
Mempfelbach, dm 27. iiujus.
67
eine Fragc ungenügend beantwortet hatte, mit derselben Frage
ganz wie beiläufig an Heinrich, der sic in derselben Weise, wie
die erste, jedoch noch freimüthiger löste und dann erst wendete
er sich mit einer neuen Frage an ihn, mit einer Frage, durch
deren Beantwortung der junge Theolog, wenn er dessen fähig
war, die Erfolge seines Studiums auf allen Gebieten der Theo-
logie beweisen konnte. Bescheiden, ohne Prahlerei, aber mit
jener Sicherheit, die das Wissen verleiht, entwickelte Heinrich,
der die Bedeutung dieser Frage nur zu wohl begriffen hatte,
seine Erklärung. Lautlos horchte das Auditorium, mit fast
neidische» Seitenblicken schauten die Genossen auf ihn und als
er geendet, flog ein unwillkührlichcs Lächeln des Beifalls über
das Antlitz aller Examinanden, deren jeder fortan immer tiefer
und tiefer mit der Sonde der Gelehrsamkeit den Umkreis des !
Wissens dieses Candidatcn untersuchte, aber stets befriediget,
ja überrascht, von dieser Entdeckungsreise zurückkehrtc, ja cs
schien zuletzt als ob nur dieser Eine zu prüfen wäre und als
ob man diesen Einen aus seinen Gefährten zum Sprecher er-
wähle habe.
Die Prüfung war endlich vorüber. Der Zuhörerraum
entleerte sich und endlich gelang cs auch dem alten Seisarth,
der wie im tiefen Traume da gestanden oder eigentlich in dem
Menschenknäuel gelehnt und kein Wort von der ganzen Hand-
lung gehört hatte, den Ansgang zu finden und in sein Stüb-
chen im Gasthosc zu schleichen. Dort traf ihn auf einem Stuhle
sitzend und in einen Winkel starrend, Heinrich an. Bei seinem
Eintritte erhob der Alte träumerisch sein Haupt, blickte traurig
auf den Sohn, der ihn eben umarmen wollte, aber sprachlos
vor Erstaunen den merkwürdigen Zustand seines Vaters wahrnahm.
„Vater, um Gotteswilleu, was ist Dir?"
„Du bist abermals durchgefallen!" stöhnte der Alte, „durch
mich, durch mich!"
„Durchgefallcn? Du irrst Dich, wie meinst Du das?"
„Der Obcrconsistorialrath — "
„Ist ein sehr liebevoller Mann, der mich mit der größten
Rücksicht und Schonung behandelt hat."
„Und Du bist nicht durchgefallcn?"
„Aber Vater, wie kommst Du mir denn vor? hast Du
denn nicht gehört, daß ich alle Fragen zur größten Zufriedenheit
aller Eraminatoren beantwortet habe. Du warst ja doch im
Erame» ?"
„Freilich, freilich."
„Da mußt Du doch gehört und gesehen haben — "
„Nichts habe ich gehört, nichts habe ich gesehen!"
„Und nach dem Gramen ließ mich der Obcrconsistorial-
rath rufen, drückte mir die Hand, wünschte mir Glück und ver-
sicherte mir, daß er für mich sorgen wolle."
„So? that er das wirklich?"
(Schluß folgt.)
Vom
Churfnrstlichen Pfleggerichte Mempfelbach
als
Verlassenschaftsbehörde
wird hiemit dem Universalerben des in der Nacht vom 19. auf
den 20. vorigen Monats in Folge allzu überschwänglichen Ge-
nusses vaterländischen Getränkes urplötzlich verendeten früher»
SportclvcrwaltcrS Jgnatzi Bauschnm der sämmtliche Pecuniär-
nachlafi, bestehend in drei Scheidemünzen von einem Gcsammt
wcrthc zu 8 kr. mit dem Bemerken crtradirt, daß sich außer
einem Sticfclzieher, einer Hosenstrupfe, einem Hosenträger ohne
Schnalle und einem leeren Brisilglasc durchaus nichts weiteres
Sichtbares vorfand, ja daß nicht einmal für das Seelenheil
des Defuncten ein eie proknnclis gehalten werden konnte. Zu-
gleich war aus den letzten Aeußerungen des Erblassers durch-
aus nicht zu entnehmen, daß derselbe irgend eine Aktivforderung
oder geheimes Geld besitze, sondern er verschied unter den größ-
ten Frcudcnbezcugnnge», daß er all sein Hab und Gut „ver-
plempert" habe, und sohin keinerlei Erbschaftsdiffercnzen bei
den hochlöblichcn Gerichten zu befürchten seien.
Der Vorstand: Di'. Rosoglio.
Churfürstlichen Pfleggcrichtc Mempfelbach
an den Domaincnrath Mermel in Hättcrsdoch als
Univcrsal-Erbcn des früheren SportclvcrwaltcrS
Jgnatzi Bauschnm von Allcshin.
Nr. 4957.
Mit 3 Scheidemünzen zu 8 kr. valor.
Brenz.
„In den öden Fenstcrhöhlen
Wohnt das Grauen."
(Schillert Lied von der Glocke.)
»
Mempfelbach, dm 27. iiujus.
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eine Fragc ungenügend beantwortet hatte, mit derselben Frage
ganz wie beiläufig an Heinrich, der sic in derselben Weise, wie
die erste, jedoch noch freimüthiger löste und dann erst wendete
er sich mit einer neuen Frage an ihn, mit einer Frage, durch
deren Beantwortung der junge Theolog, wenn er dessen fähig
war, die Erfolge seines Studiums auf allen Gebieten der Theo-
logie beweisen konnte. Bescheiden, ohne Prahlerei, aber mit
jener Sicherheit, die das Wissen verleiht, entwickelte Heinrich,
der die Bedeutung dieser Frage nur zu wohl begriffen hatte,
seine Erklärung. Lautlos horchte das Auditorium, mit fast
neidische» Seitenblicken schauten die Genossen auf ihn und als
er geendet, flog ein unwillkührlichcs Lächeln des Beifalls über
das Antlitz aller Examinanden, deren jeder fortan immer tiefer
und tiefer mit der Sonde der Gelehrsamkeit den Umkreis des !
Wissens dieses Candidatcn untersuchte, aber stets befriediget,
ja überrascht, von dieser Entdeckungsreise zurückkehrtc, ja cs
schien zuletzt als ob nur dieser Eine zu prüfen wäre und als
ob man diesen Einen aus seinen Gefährten zum Sprecher er-
wähle habe.
Die Prüfung war endlich vorüber. Der Zuhörerraum
entleerte sich und endlich gelang cs auch dem alten Seisarth,
der wie im tiefen Traume da gestanden oder eigentlich in dem
Menschenknäuel gelehnt und kein Wort von der ganzen Hand-
lung gehört hatte, den Ansgang zu finden und in sein Stüb-
chen im Gasthosc zu schleichen. Dort traf ihn auf einem Stuhle
sitzend und in einen Winkel starrend, Heinrich an. Bei seinem
Eintritte erhob der Alte träumerisch sein Haupt, blickte traurig
auf den Sohn, der ihn eben umarmen wollte, aber sprachlos
vor Erstaunen den merkwürdigen Zustand seines Vaters wahrnahm.
„Vater, um Gotteswilleu, was ist Dir?"
„Du bist abermals durchgefallen!" stöhnte der Alte, „durch
mich, durch mich!"
„Durchgefallcn? Du irrst Dich, wie meinst Du das?"
„Der Obcrconsistorialrath — "
„Ist ein sehr liebevoller Mann, der mich mit der größten
Rücksicht und Schonung behandelt hat."
„Und Du bist nicht durchgefallcn?"
„Aber Vater, wie kommst Du mir denn vor? hast Du
denn nicht gehört, daß ich alle Fragen zur größten Zufriedenheit
aller Eraminatoren beantwortet habe. Du warst ja doch im
Erame» ?"
„Freilich, freilich."
„Da mußt Du doch gehört und gesehen haben — "
„Nichts habe ich gehört, nichts habe ich gesehen!"
„Und nach dem Gramen ließ mich der Obcrconsistorial-
rath rufen, drückte mir die Hand, wünschte mir Glück und ver-
sicherte mir, daß er für mich sorgen wolle."
„So? that er das wirklich?"
(Schluß folgt.)
Vom
Churfnrstlichen Pfleggerichte Mempfelbach
als
Verlassenschaftsbehörde
wird hiemit dem Universalerben des in der Nacht vom 19. auf
den 20. vorigen Monats in Folge allzu überschwänglichen Ge-
nusses vaterländischen Getränkes urplötzlich verendeten früher»
SportclvcrwaltcrS Jgnatzi Bauschnm der sämmtliche Pecuniär-
nachlafi, bestehend in drei Scheidemünzen von einem Gcsammt
wcrthc zu 8 kr. mit dem Bemerken crtradirt, daß sich außer
einem Sticfclzieher, einer Hosenstrupfe, einem Hosenträger ohne
Schnalle und einem leeren Brisilglasc durchaus nichts weiteres
Sichtbares vorfand, ja daß nicht einmal für das Seelenheil
des Defuncten ein eie proknnclis gehalten werden konnte. Zu-
gleich war aus den letzten Aeußerungen des Erblassers durch-
aus nicht zu entnehmen, daß derselbe irgend eine Aktivforderung
oder geheimes Geld besitze, sondern er verschied unter den größ-
ten Frcudcnbezcugnnge», daß er all sein Hab und Gut „ver-
plempert" habe, und sohin keinerlei Erbschaftsdiffercnzen bei
den hochlöblichcn Gerichten zu befürchten seien.
Der Vorstand: Di'. Rosoglio.
Churfürstlichen Pfleggcrichtc Mempfelbach
an den Domaincnrath Mermel in Hättcrsdoch als
Univcrsal-Erbcn des früheren SportclvcrwaltcrS
Jgnatzi Bauschnm von Allcshin.
Nr. 4957.
Mit 3 Scheidemünzen zu 8 kr. valor.
Brenz.
„In den öden Fenstcrhöhlen
Wohnt das Grauen."
(Schillert Lied von der Glocke.)
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Illustrationen zu den deutschen Classikern"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Kommentar
bitte verknüpfen
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Wortillustration
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 28.1858, Nr. 661, S. 67
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg