Seit dieser Zeit intercssirte mich dieser
Nachbar beständig und bald sollte ich auch
die Ursache seiner Seuszer, seiner Klagen
entdecken. Oft schon hatte ich ihn jetzt
auch bei Tage gesehen; immer aber er-
schien er mir traurig und unter seinem
glänzenden, schwarzen Felle mußte ein
warmes, aber unglückliches Herz sich im
Schlagen üben. — In einer Nacht wo
ich wiederum nach dem Garten heraus
meine Betrachtungen anstcllte, bemerkte
ich plötzlich unter mir, zwischen dem duf-
tigen Fliedcrgcbüsch ein schönes, weißes
Kätzchen, welches graziös promenirte und
leichtpfotig über die Beete hüpfte. Kaum
hatte ich mich von der Schönheit der
jungen Mies (nicht etwa Miß, freund-
liche Leserin) überzeugt, kaum hatte ich
sic in Gedanken mit meinem Freunde, dem
schwarzen Kater, in nähere Beziehung ge-
bracht, als sich unten die Büsche thciltcn
und der Kater alsbald seiner Mies gcgen-
überstand. Ja, sic liebte er; ich er-
kannte cS deutlich, ihr galten seine Hul-
digungen, ihr seine stillen Klagen, ihr
seine lauten Seuszer! Wie liebevoll grüßte
er sic eben jetzt — aber wie kalt dankte
sic! Schweigend gingen Beide einige Mi-
nuten nebeneinander, da faßte der Kater
sich ein Her;; ich sah wie er mit der
rechten Vorderpfote auf seine Brust deu-
tete und ahnte sein entschieden zärtliches
i Gcständniß.
Doch, die kleine weiße Mies? o Schreck,
! welch ein Ton! ein Miau, so scharf und
spöttisch, so verächtlich und drohend, daß
ich selbst zusammenschrak. Sie wies ihn
von sich, den zärtlich Liebenden, ich sah
sic eilig, in leichten Sprüngen in dem
Gebüsch verschwinden und der Kater blieb
allein, verstoßen von seiner angcbctctcn
Mies! — Langsam schlich er aus dem
Garten, mit einem langen Blick sog er
noch einmal den Platz ein, wo er seine
Liebe gestanden und sein Urthcil vernommen,
dann verschwand er und lange hörte ich
ihn während der Nacht seufzen und wim-
mern, als ob er den tobten Dachziegeln
seine Schmerzen erzähle.
Seit dieser Nacht sah ich ihn selten;
aber erschrecklich war cs, wie sein hartes
Geschick an ihm zehrte! Er war noch
der große schwarze Kater, doch sein Feucr-
augc war erloschen, erloschen war die feu-
rige Kraft und Biegsamkeit seiner Glieder,
dürr und schmächtig wankte er in matten
Schritten über die Dächer, wie ein lebens-
müder Wandrer, ein schwarzer Katcr-
schattcn!
Plötzlich war er verschwunden; doch,
merkwürdig; hinter dein Schornsteine, wo
er sich stets am liebsten ausgchalten halte,
bemerkte ich zufällig lose Blätter, Papicr-
strcifen, wie cs schien, und durch eifrige
Forschungen, durch unausgesetzte Bemüh-
ungen gelangte ich endlich in den Besitz
derselben — es waren einzelne Blätter,
es waren, erschrick nicht freundlicher Leser,
es waren Gedichte, lyrische Gedichte wie
es schien — ein beredtes Erbthcil meines
schwarzen Lieblings. Vieles mochte der
Wind schon verweht baden, Viel war durch,
den Regen gänzlich verwischt, Viel durch-
aus unleserlich — doch, was ich zu ent-
ziffern vermochte, eö offenbarte mir ein
edles, vielduldcndcs Kater-
Herz; ich sammelte fleißig,
ergänzte einige Lücken und
stellte die folgende kleine
Anzahl der Kater-Poesien
zusammen. Gern las ich sie,
diese Ergüsse des schwarzen
Dulders, oft dachte ich seiner
— von der kleinen Mies
habe ich nie wieder gehört.
Wir übergeben nun in
Folgendem unfern freund-
lichen Lesern diese Poesie»
vertraucnvollen Herzens; ist
auch Vieles verfehlt, so ist
doch auch Manches wahrhaft
ergreifend und zart in In-
halt und Form, sollte auch
Vieles von freundlichen Lesern
getadelt werden, immerhin
bleiben diese Poesien für unsre
Zeit ein merkwürdiges Er-
eigniß.
8cs großen und schwar-
ten Katers Schnurr Lie-
üesleid und Lust, so er
an Mianta, einer kleinen
schneeweißen Mies
erfahren.
Zn liebcS-lustigen und -leidige» 1
Gedichten von ihm besungen und
hier ais lyrischer Katze,i-Zanimcr
wortgetreu veröffentlicht.
, i
l. Mtheitung.
Kater's Sehnsucht und heißes Verlangen,
t.
Ich Hab' Dich nur einmal gesehen
Miaula, hold und lind,
Doch jene Augenblicke
Mir unvergeßlich sind!
Nur einmal Hab' ich gcblickct
Dir in die Augen Dein,
I» Deine lieben Augen,
So klar wie Stcrnenschcin!
Ich hörte nur einmal miauen
Von Dir ein kurzes Miau,
Doch in mein Herze drang es
Wie frischer Morgcnthau!
Ja, wie der Thau des Morgens,
Die Blümlcin aus der Au
Zu neuem Leben wecket,
Beseelte mich Dein Miau!
Nachbar beständig und bald sollte ich auch
die Ursache seiner Seuszer, seiner Klagen
entdecken. Oft schon hatte ich ihn jetzt
auch bei Tage gesehen; immer aber er-
schien er mir traurig und unter seinem
glänzenden, schwarzen Felle mußte ein
warmes, aber unglückliches Herz sich im
Schlagen üben. — In einer Nacht wo
ich wiederum nach dem Garten heraus
meine Betrachtungen anstcllte, bemerkte
ich plötzlich unter mir, zwischen dem duf-
tigen Fliedcrgcbüsch ein schönes, weißes
Kätzchen, welches graziös promenirte und
leichtpfotig über die Beete hüpfte. Kaum
hatte ich mich von der Schönheit der
jungen Mies (nicht etwa Miß, freund-
liche Leserin) überzeugt, kaum hatte ich
sic in Gedanken mit meinem Freunde, dem
schwarzen Kater, in nähere Beziehung ge-
bracht, als sich unten die Büsche thciltcn
und der Kater alsbald seiner Mies gcgen-
überstand. Ja, sic liebte er; ich er-
kannte cS deutlich, ihr galten seine Hul-
digungen, ihr seine stillen Klagen, ihr
seine lauten Seuszer! Wie liebevoll grüßte
er sic eben jetzt — aber wie kalt dankte
sic! Schweigend gingen Beide einige Mi-
nuten nebeneinander, da faßte der Kater
sich ein Her;; ich sah wie er mit der
rechten Vorderpfote auf seine Brust deu-
tete und ahnte sein entschieden zärtliches
i Gcständniß.
Doch, die kleine weiße Mies? o Schreck,
! welch ein Ton! ein Miau, so scharf und
spöttisch, so verächtlich und drohend, daß
ich selbst zusammenschrak. Sie wies ihn
von sich, den zärtlich Liebenden, ich sah
sic eilig, in leichten Sprüngen in dem
Gebüsch verschwinden und der Kater blieb
allein, verstoßen von seiner angcbctctcn
Mies! — Langsam schlich er aus dem
Garten, mit einem langen Blick sog er
noch einmal den Platz ein, wo er seine
Liebe gestanden und sein Urthcil vernommen,
dann verschwand er und lange hörte ich
ihn während der Nacht seufzen und wim-
mern, als ob er den tobten Dachziegeln
seine Schmerzen erzähle.
Seit dieser Nacht sah ich ihn selten;
aber erschrecklich war cs, wie sein hartes
Geschick an ihm zehrte! Er war noch
der große schwarze Kater, doch sein Feucr-
augc war erloschen, erloschen war die feu-
rige Kraft und Biegsamkeit seiner Glieder,
dürr und schmächtig wankte er in matten
Schritten über die Dächer, wie ein lebens-
müder Wandrer, ein schwarzer Katcr-
schattcn!
Plötzlich war er verschwunden; doch,
merkwürdig; hinter dein Schornsteine, wo
er sich stets am liebsten ausgchalten halte,
bemerkte ich zufällig lose Blätter, Papicr-
strcifen, wie cs schien, und durch eifrige
Forschungen, durch unausgesetzte Bemüh-
ungen gelangte ich endlich in den Besitz
derselben — es waren einzelne Blätter,
es waren, erschrick nicht freundlicher Leser,
es waren Gedichte, lyrische Gedichte wie
es schien — ein beredtes Erbthcil meines
schwarzen Lieblings. Vieles mochte der
Wind schon verweht baden, Viel war durch,
den Regen gänzlich verwischt, Viel durch-
aus unleserlich — doch, was ich zu ent-
ziffern vermochte, eö offenbarte mir ein
edles, vielduldcndcs Kater-
Herz; ich sammelte fleißig,
ergänzte einige Lücken und
stellte die folgende kleine
Anzahl der Kater-Poesien
zusammen. Gern las ich sie,
diese Ergüsse des schwarzen
Dulders, oft dachte ich seiner
— von der kleinen Mies
habe ich nie wieder gehört.
Wir übergeben nun in
Folgendem unfern freund-
lichen Lesern diese Poesie»
vertraucnvollen Herzens; ist
auch Vieles verfehlt, so ist
doch auch Manches wahrhaft
ergreifend und zart in In-
halt und Form, sollte auch
Vieles von freundlichen Lesern
getadelt werden, immerhin
bleiben diese Poesien für unsre
Zeit ein merkwürdiges Er-
eigniß.
8cs großen und schwar-
ten Katers Schnurr Lie-
üesleid und Lust, so er
an Mianta, einer kleinen
schneeweißen Mies
erfahren.
Zn liebcS-lustigen und -leidige» 1
Gedichten von ihm besungen und
hier ais lyrischer Katze,i-Zanimcr
wortgetreu veröffentlicht.
, i
l. Mtheitung.
Kater's Sehnsucht und heißes Verlangen,
t.
Ich Hab' Dich nur einmal gesehen
Miaula, hold und lind,
Doch jene Augenblicke
Mir unvergeßlich sind!
Nur einmal Hab' ich gcblickct
Dir in die Augen Dein,
I» Deine lieben Augen,
So klar wie Stcrnenschcin!
Ich hörte nur einmal miauen
Von Dir ein kurzes Miau,
Doch in mein Herze drang es
Wie frischer Morgcnthau!
Ja, wie der Thau des Morgens,
Die Blümlcin aus der Au
Zu neuem Leben wecket,
Beseelte mich Dein Miau!
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Des Katers Schnurr Liebesleid und Lust"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 28.1858, Nr. 662, S. 74
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg