102 Schwarzwalder
Der reiche Mathes von Seehaus hat von seiner Bärbel
! einen Staatsbubcn zu Weihnachten bekommen und zwar den
, ersten. Das soll eine flotte Taufe geben, daß man nach 20
Jahren noch davon sprechen soll. Die halbe Umgegend ist zu
Gast geladen, dazu liegt der Schnee drei Schuh hoch und
Alles kommt auf Schlitten daher gefahren, daß es nur so
stäubt, vom Schellengeraffel gar nicht zu sprechen!
Eh' man in's nächste Ort zur Taufe in die Kirche ab-
fährt, wird noch dem Haustrunk, den der Seehausbauer auf-
stellt, tüchtig zugesprochcn, „damit es einem auch warm macht,"
denn es ist weit in's nächste Ort und bitter kalt. Endlich
wird's Zeit zum Abfahren, man sitzt auf, der Vater und die
Taufpathen sammt dem Täufling auf den festlich verzierten
Schlitten, aber wie sich's gehört, die Gäste in zehn, zwölf
Schlitten voraus. Hei wie das fliegt! Nach einer halben
Stunde kommt man in's Ort, dem Pfarrer ist schon telegraphirt,
daß der Taufzug da sei und er geht wohlbedächtig der Kirche
zu. Der Taufzug setzt sich ebenfalls in Bewegung, aber plötz-
lich ertönt ein Schrei des Schreckens aus dem hintersten Schlitten.
Wie man dort den Täufling hcrausnehmcn will, um ihn zur
Kirche zu tragen — ist er fort — er ist verloren gegangen.
Welcher Schrecken! Doch man faßt sich bald wieder, schnell
den Schlitten umgedrcht und auf derselben Straße, die man
gekommen, zurückgefahren, richtig eine Viertelstunde vor dem
Ort liegt das verlorene Knäblcin mitten im Schnee, freilich
etwas erfroren und schreit mörderisch. Das hat aber nichts
zu sagen, man ist froh, daß man's wieder hat, bald ist man
wieder damit im Orte zurück, schüttet ihm, daß ihm's warm
wird, einen halben Schoppen rothen Wein in den Mund und
nun zur Taufe, als ob nichts geschehen wäre.
Es ist jetzt wohl vierzig Jahre her, daß dieß passtet ist
und der kleine Täufling ist ein stattlicher Mann geworden,
aber man meint, es gehe ihm heute noch nach, daß er damals
Taufgeschichten.
beinahe erfroren wäre, denn er muß alle Tag' mehrere Schoppen
Rothen zu sich nehmen, daß ibm's warm wird. Auch hat er
selber schon taufen lassen, so oft er aber in's nächste Ort zur
Taufe fährt, bindet er zuvor das Kind sicher im Schlitten fest
und hat auch wirklich bis heute »och kein Kind verloren.
Ein anderer Streich ist aber einmal dem Sägmüllerhannes
von Koppclthal passirt und dem Nazcbauer von Schoremthal,
die treffen eines Tags beide zusammen im WirthshauS in Bcsen-
feld und hatte jeder ein Kindlein bei sich zum Taufen, der
Hannes ein Büblein und der Naze ein Mägdlein; der Herr
Pfarrer hat aber noch nicht gleich Zeit zum Taufen, da muß
man sich eben einstweilen im WirthshauS verweilen, gute Freunde
waren sie ohnedieß schon von lange her, Durst hatten sie auch
beide und die Taufgästc auch, wenigstens verachteten sie den
Wein nicht, den man ihnen vorsetzte und so kam cs, daß man,
als der Herr Pfarrer nach einer Stunde endlich sagen ließ,
er sei jetzt in der Kirche zur Taufe parat, etwas warm im
Kopse hatte, beide die Manns- und Wcibsleute. Jndcß zog
man in geordnetem Zug in die Kirche und die Taufe der
beiden Kinder ging gar schön und feierlich vor sich, des Hannes
Bube erhielt den Namen Zacharias und der Naze ließ die
Seinige Philippine taufen. Doch als man aus der Kirche
war und man die Kinder beim Licht betrachtete, da entdeckte
man, daß man sic — verwechselt hatte! Der Bube war
Philippine und das Maidle Zacharias getauft worden. Was
war zu thun? Der ganze Zug sammt dem Herrn Pfarrer
mußte wieder in die Kirche zurück und die Kinder wurden
feierlich wieder umgetauft. Hat aber Keinem etwas gethan,
aber ein's ist ihnen geblieben, der Bub' hat sein Lebtag zu
den Mädeln und das Mädel zu den Buben gewollt. Später
haben sie sich gehcirathet und zum Andenken an ihre merk-
würdige Taufe haben sie ihren ersten Buben Philipp und ihr
erstes Mädchen Zachariscline geheißen.
Der reiche Mathes von Seehaus hat von seiner Bärbel
! einen Staatsbubcn zu Weihnachten bekommen und zwar den
, ersten. Das soll eine flotte Taufe geben, daß man nach 20
Jahren noch davon sprechen soll. Die halbe Umgegend ist zu
Gast geladen, dazu liegt der Schnee drei Schuh hoch und
Alles kommt auf Schlitten daher gefahren, daß es nur so
stäubt, vom Schellengeraffel gar nicht zu sprechen!
Eh' man in's nächste Ort zur Taufe in die Kirche ab-
fährt, wird noch dem Haustrunk, den der Seehausbauer auf-
stellt, tüchtig zugesprochcn, „damit es einem auch warm macht,"
denn es ist weit in's nächste Ort und bitter kalt. Endlich
wird's Zeit zum Abfahren, man sitzt auf, der Vater und die
Taufpathen sammt dem Täufling auf den festlich verzierten
Schlitten, aber wie sich's gehört, die Gäste in zehn, zwölf
Schlitten voraus. Hei wie das fliegt! Nach einer halben
Stunde kommt man in's Ort, dem Pfarrer ist schon telegraphirt,
daß der Taufzug da sei und er geht wohlbedächtig der Kirche
zu. Der Taufzug setzt sich ebenfalls in Bewegung, aber plötz-
lich ertönt ein Schrei des Schreckens aus dem hintersten Schlitten.
Wie man dort den Täufling hcrausnehmcn will, um ihn zur
Kirche zu tragen — ist er fort — er ist verloren gegangen.
Welcher Schrecken! Doch man faßt sich bald wieder, schnell
den Schlitten umgedrcht und auf derselben Straße, die man
gekommen, zurückgefahren, richtig eine Viertelstunde vor dem
Ort liegt das verlorene Knäblcin mitten im Schnee, freilich
etwas erfroren und schreit mörderisch. Das hat aber nichts
zu sagen, man ist froh, daß man's wieder hat, bald ist man
wieder damit im Orte zurück, schüttet ihm, daß ihm's warm
wird, einen halben Schoppen rothen Wein in den Mund und
nun zur Taufe, als ob nichts geschehen wäre.
Es ist jetzt wohl vierzig Jahre her, daß dieß passtet ist
und der kleine Täufling ist ein stattlicher Mann geworden,
aber man meint, es gehe ihm heute noch nach, daß er damals
Taufgeschichten.
beinahe erfroren wäre, denn er muß alle Tag' mehrere Schoppen
Rothen zu sich nehmen, daß ibm's warm wird. Auch hat er
selber schon taufen lassen, so oft er aber in's nächste Ort zur
Taufe fährt, bindet er zuvor das Kind sicher im Schlitten fest
und hat auch wirklich bis heute »och kein Kind verloren.
Ein anderer Streich ist aber einmal dem Sägmüllerhannes
von Koppclthal passirt und dem Nazcbauer von Schoremthal,
die treffen eines Tags beide zusammen im WirthshauS in Bcsen-
feld und hatte jeder ein Kindlein bei sich zum Taufen, der
Hannes ein Büblein und der Naze ein Mägdlein; der Herr
Pfarrer hat aber noch nicht gleich Zeit zum Taufen, da muß
man sich eben einstweilen im WirthshauS verweilen, gute Freunde
waren sie ohnedieß schon von lange her, Durst hatten sie auch
beide und die Taufgästc auch, wenigstens verachteten sie den
Wein nicht, den man ihnen vorsetzte und so kam cs, daß man,
als der Herr Pfarrer nach einer Stunde endlich sagen ließ,
er sei jetzt in der Kirche zur Taufe parat, etwas warm im
Kopse hatte, beide die Manns- und Wcibsleute. Jndcß zog
man in geordnetem Zug in die Kirche und die Taufe der
beiden Kinder ging gar schön und feierlich vor sich, des Hannes
Bube erhielt den Namen Zacharias und der Naze ließ die
Seinige Philippine taufen. Doch als man aus der Kirche
war und man die Kinder beim Licht betrachtete, da entdeckte
man, daß man sic — verwechselt hatte! Der Bube war
Philippine und das Maidle Zacharias getauft worden. Was
war zu thun? Der ganze Zug sammt dem Herrn Pfarrer
mußte wieder in die Kirche zurück und die Kinder wurden
feierlich wieder umgetauft. Hat aber Keinem etwas gethan,
aber ein's ist ihnen geblieben, der Bub' hat sein Lebtag zu
den Mädeln und das Mädel zu den Buben gewollt. Später
haben sie sich gehcirathet und zum Andenken an ihre merk-
würdige Taufe haben sie ihren ersten Buben Philipp und ihr
erstes Mädchen Zachariscline geheißen.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Schwarzwälder Taufgeschichten"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Täufling <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 28.1858, Nr. 665, S. 102
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg